StartseiteRegionalUckermarkSohn streitet mit Mutter ums Elternhaus

Kein Testament

Sohn streitet mit Mutter ums Elternhaus

Prenzlau / Lesedauer: 5 min

Nach dem Tod ihres Mannes geriet die Uckermärkerin Angelika P. in eine schlimme Lage. Die 71-Jährige leidet, weil der Nachlass nicht geklärt ist.
Veröffentlicht:12.06.2020, 11:47

Artikel teilen:

Angelika P. (Name geändert) hat die Fotoalben schon vor über drei Jahren in den Umzugskisten verstaut. So lange sitzt die 71-Jährige bereits auf gepackten Koffern, weil ihr Eigenheim – Mitte der 1970er Jahre mit Ehemann Karl als Familiennest erbaut – in Folge eines bösen Erbschaftsstreits zur „Hölle auf Erden” geworden ist. Viele Sachen hat sie seitdem wieder aus den Kartons holen müssen, weil sich der Verkauf der Immobilie schwieriger als gedacht gestaltet. Nur die alten Bilder fasst sie nicht mehr an – zu weh tun die Erinnerungen an vergangene Zeiten. Zwei Söhnen hat die Fabrikarbeiterin einst das Leben geschenkt. Mit einem davon kommuniziert die Uckermärkerin mittlerweile nur noch über Anwälte. Im vergangenen Jahr hat sie den 43-Jährigen sogar angezeigt. Der Fall von wiederholter Bedrohung und Beleidigung landete letztlich sogar auf dem Tisch des Staatsanwalts. „Ich weiß nicht, wie es soweit kommen konnte”, gesteht Angelika P. weinend ein: „Am Anfang waren wir eine ganz normale Familie. Wir haben uns verstanden und unsere Kinder sehr geliebt.” In diesem Moment holt sie dann doch ein altes Foto heraus, das sie mit ihrem Ältesten zeigt.

Nie Sorgen gemacht

„Er war so ein liebes, stilles Kind. Er hat uns nie Sorgen gemacht”, lässt sie die Kindheit des Mannes, mit dem sie jetzt im Kriegszustand ist, Revue passieren. Erst in der Pubertät habe es Probleme gegeben, setzt sie leise hinzu: „Aber das kennen wohl alle Eltern.” Doch während ihr Jüngster nach dieser Phase auf den rechten Weg zurückgefunden habe, sei der andere Sohn ihr immer mehr entglitten. „Ich erinnere mich noch, wie stolz ich war, als er seinen Lehrabschluss gemacht hat. Die Urkunde für seine hervorragenden Leistungen habe ich aufgehoben”, berichtet sie nachdenklich. Doch die Freude habe nicht lange gewährt. „Als Alkohol ins Spiel kam, wendete sich das Blatt”, bilanziert Angelika P. traurig: „Mein Mann hat versucht, mit ihm zu reden. Ihn hat das so traurig gemacht, vor allem, als er zum Schluss so krank war.”

Führerschein verloren

Doch sie hätten ihren Jungen mit ihren Appellen da schon längst nicht mehr erreichen können, ist ihr heute klar. Ganz schlimm sei es nach dem Verlust des Führerscheins geworden. „Wenig später war sein Job weg, und das Verhängnis nahm seinen Lauf.” Als ihr Mann Ende 2015 verstarb, gab es bereits viel verbrannte Erde. „Kurz davor haben wir noch seinen runden Geburtstag gefeiert. Doch mein Großer hat uns nicht den Gefallen getan, zu kommen”, erzählt Angelika P. traurig. Das habe ihrem Mann wohl den Todesstoß versetzt. Sie habe damals schon geahnt, dass der Tod ihres Mannes das angespannte Verhältnis zuspitzen wird, gesteht die Rentnerin ein: „Ich hatte ja schon ein Testament vorbereitet, weil ich befürchtete, dass es so kommt, wie es dann eingetreten ist. Aber mein Mann wollte partout nicht unterschreiben, sondern bis zuletzt alles selbst regeln und in der Hand behalten. Und ich brachte es nicht übers Herz, ihm zu sagen, dass er keine Zeit mehr hat.”

Die Witwe muss sich immer wieder die Tränen aus den Augen wischen, während sie davon erzählt. Die Jahre seit seinem Krebstod haben auch an ihr gezehrt, denn gleich nach der Beerdigung fing der Kampf ums Haus an. Weil ihr Mann seinen letzten Willen nicht niedergeschrieben hatte, bildete Angelika P. mit ihren beiden Kindern automatisch eine Erbengemeinschaft. Ihr steht die Hälfte des Nachlasses zu, den Söhnen je ein Viertel. Und der Älteste fordert das Seine nachdrücklich ein, wie sie bedauert. Sogar Schulden machen musste die Seniorin wegen ihm schon.

Gutachter bestellt

„Er hat darauf bestanden, dass ich das Haus von einem Gutachter schätzen lasse. Die 2000 Euro dafür hatte ich nicht, sondern musste sie borgen.” Mittlerweile spitzt sich die Situation immer weiter zu. Ein Teilungsversteigerungsverfahren ist gescheitert. Und obwohl sich jetzt ein Käufer gefunden hat und Angelika P. mittlerweile bereit ist, sich mit einer kleinen Zwei-Raum-Wohnung zu begnügen, sitzt sie noch immer im Haus. „Mike hat es sich anders überlegt und will doch nicht, dass wir verkaufen. Aber was er stattdessen möchte, sagt er nicht. Unsere Gespräche enden stets in wüsten Beschimpfungen von ihm. Sogar Morddrohungen stößt er aus”, berichtet die fünffache Großmutter.

Appell an Anwalt

Zudem kämen fast wöchentlich Anwaltsbriefe. Angelika P. weiß nicht, wie es weitergehen soll. Im tiefsten Inneren hofft sie noch, dass er zur Besinnung kommt, wie die zweifache Mutter sagt: „Vielleicht kann ihn sein Anwalt endlich zur Vernunft bringen, sonst gehen wir alle vor die Hunde.”

Den Streit ums Erbe wollen die meisten Deutschen zwar am liebsten vermeiden, wie eine repräsentative Allensbach-Umfrage im Auftrag der Deutschen Bank ergeben hat. Doch in der Praxis klappt das in vielen Fällen nicht – mit steigender Tendenz sehen sich die Hinterbliebenen später vor Gericht wieder. Als Hauptgrund wird vermutet, dass die Hemmungen, über das Thema zu Lebzeiten zu sprechen, zu groß sind.