StartseiteRegionalUckermark„Opa Genschi“ soll nicht zum Metzger (Video)

Reitverein will Überleben

„Opa Genschi“ soll nicht zum Metzger (Video)

Klockow / Lesedauer: 5 min

Beim Klockower Reitverein hofft man auf ein Wunder. Der Haussee e.V. steckt in Schwierigkeiten und hat sogar eine Stute verkaufen müssen.
Veröffentlicht:20.06.2019, 15:46

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Wenn Udo Scheffler an der Box von Avalon‘s Girl vorbei geht, bricht es ihm fast das Herz. Die vierjährige Stute ist zwar schon seit ein paar Tagen weg. Doch der 55-Jährige hat ihren Verlust noch immer nicht verwunden: „Sie wurde hier geboren und von uns ausgebildet. Sie war der Liebling aller Kinder. Kein Wunder, dass sie uns fehlt.“ Das mag im ersten Moment vielleicht eigenartig klingen, schließlich hat der Chef des Reitvereins höchstpersönlich den Verkauf des Tieres eingerührt. Doch freiwillig war das Ganze nicht. „Hätte es in meiner Macht gestanden, dann hätte ich das verhindert“, versichert der gelernte Sattler. Aber es habe keine andere Lösung gegeben, setzt er traurig hinzu. Der Vierbeiner musste zu Geld gemacht werden, weil der Verein Haussee Klockow e.V. in Schwierigkeiten steckt. In großen Schwierigkeiten sogar, wie Kassenwartin Mandy Urbicht bestätigt.

Über den Kopf gewachsen

Die 43-Jährige räumt ehrlich ein, dass die finanziellen Verpflichtungen den Ehrenamtlern aktuell über den Kopf zu wachsen drohen. Aus dem Verkaufserlös von Avalon‘s Girl wurde sofort neues Heu für die restlichen vier Vereinspferde angeschafft. Viel Futter bekam der Chef allerdings nicht dafür. „Die Preise für Reitpferde sind im Keller“, bilanziert der Klockower bitter. Wie viel Euro die bildschöne junge Stute genau in die Kasse gespielt hat, mag er gar nicht laut sagen: „Es treibt mir heute noch die Tränen in die Augen, dass wir sie so verschleudern mussten.“ Doch man habe zu diesem Zeitpunkt mit dem Rücken an der Wand gestanden, stellt Mandy Urbicht klar. Auf dem Tisch im Stall lag eine Stromnachzahlung in Höhe von 700 Euro, zudem waren Wassergeld, Pacht und Tierarztkosten fällig. „Wir mussten handeln, sondern hätten wir den ganzen Stall zuschließen müssen“, legt Udo Scheffler den Finger auf die Wunde.

Kein Geld für Freizeitgestaltung

Die Probleme der jüngsten Vergangenheit resultieren nicht allein aus den schwindenden Zahl erwachsener, zahlungskräftiger Mitglieder, stellt der Vereinschef klar. Sechs Frauen und Männer stehen noch im Register, hinzu kommen 13 Kinder, die regelmäßig trainieren. Aber das spielt bei den moderaten Mitgliedsbeiträgen und extrem niedrigen Reitstundengebühren zu wenig ein, ist sich die Kassenwartin bewusst. „Die Beiträge erhöhen möchten wir aber auch nicht. Dann kann sich das gar keiner mehr leisten“, das weiß die dreifache Mutter aus eigener Erfahrung. Viele Bewohner der umliegenden Dörfer leben von Hartz IV beziehungsweise kleinen Renten, auch ihre Familie ist ständig knapp bei Kasse. „Da bleibt wenig übrig für Freizeitgestaltung“, gesteht Mandy Urbicht ein.

Engagement für Kinder

Dass ihre drei Kinder trotzdem immer Reiten gehen konnten, sei nur dem, seit vielen Jahrzehnten sozial engagierten Verein zu verdanken gewesen, stellt die Dreifach-Mutter lobend heraus. Doch genau dieses Engagement für die Schwachen droht dem Haussee Klockow e.V. nun zum Verhängnis zu werden. Lange Zeit hätten Sponsoren dieses Loch gestopft, erinnert sich Udo Scheffler zurück. Doch aktuell registriert der Verein immer weniger Bereitschaft in der Region, ihnen unter die Arme zu greifen. „Uns würden ja schon ein paar Bunde Stroh oder Heu helfen“, erklärt Christian Schulz, der hier mehrmals die Woche mit seinen Kindern zum reiten kommt: „Wir wollen ja gar nicht primär Geld.“ Aber vermutlich hätten die Menschen genug eigene Probleme, als dass sie den Kopf frei für Wohltätigkeit anderen gegenüber hätten. Froh ist der Vorstand, dass die Gemeinde ein Einsehen bei der angemahnten Pachtnachzahlung für Reitplatz und Halle hatte. Aber dieses Problem sei nur aufgeschoben, nicht aufgehoben, ist den Verantwortlichen bewusst. Was fehlt, ist eine Idee, woher das Geld dafür kommen soll.

Nur noch Ausgaben

„Wenn ich es recht bedenke, haben wir nur Ausgaben. Kreisreiterbund, Landesverband Pferdesport, Kreissportbund – überall wird man mit Gebühren zur Kasse gebeten. Hinzu kommen die Ausgaben für die Betriebskosten, Stall und Wiesen, nicht zu vergessen, die Turniere, bei denen Startgebühren für die Kinder anfallen und natürlich der Sprit“, rechnet Udo Scheffler vor. Jahrelang hätten seine Mitstreiter und er vieles aus eigener Tasche bezahlt, die privaten Autos genutzt und Werkzeug aus den eigenen Garagen mitgebracht, setzt er hinzu. Ganz zu schweigen von den vielen Stunden, die 365 Tage im Jahr zu erbringen seien. „So ein Tier kennt keinen Feierabend und keinen Urlaub, es muss regelmäßig gefüttert, bewegt und sauber gemacht werden“, ist sich Mandy Urbicht bewusst. Sie leistet all das ohne Murren und will deshalb auch nicht wahrhaben, dass es fünf vor zwölf ist im Verein.

Sponsoren gesucht

Die Klockowerin hofft wie alle anderen auch auf ein Wunder, damit Stute Püppi und ihr neugeborenes Fohlen, Fuchs-Wallach Grannus und der uralte Pferdeopa Genior weiterhin ihr Zuhause im Verein haben. „Opa Genschi darf nicht zum Schlachter“, mit dieser Feststellung spricht die kleine Reiterin Fiona allen aus dem Herzen. Das will Udo Scheffler auf jeden Fall verhindern. Das über 20 Jahre alte Turnierpferd bekommt weiter sein Gnadenbrot beim Haussee e.V. „Und wenn es das Letzte ist, was ich verfügen kann“, sagt Scheffler, selbst gezeichnet von einer schweren Krebserkrankung und den Sorgen um sein Baby, den Verein.

Kontakttelefon: 0151 64068758