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Nächstenliebe

Haus neben der B109 gratis für Trucker geöffnet

Prenzlau / Lesedauer: 4 min

Wegen Corona-Angst geschlossene WC- und Duschanlagen stellen Lkw-Fahrer vor Probleme. Katharina und Steffen Thieme aus Haßleben wollen helfen.
Veröffentlicht:27.03.2020, 14:16

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Sie hatten sich das schön ausgemalt: Monatelang waren Katharina und Steffen Thieme in den Ausbau ihres Gästehauses vertieft gewesen. In Eigenleistung hauchten die jungen Eltern dem alten Gebäude neben ihrem Eigenheim touristischen Charme ein. Sie werkelten nach Feierabend und an den Wochenende, denn richtig Zeit für so ein Bauprojekt hatten eigentlich alle beide nicht. Der 30-jährige Ehemann arbeitet in der mobilen Palliativpflege und ist mehr unterwegs als daheim, um Sterbenden zur Seite zu stehen. Die Stellung zu Hause hält aktuell noch seine Frau in Elternzeit, aber die hat mit Baby Nahla und der siebenjährigen Tochter Lilly auch alle Hände voll zu tun. Ihren Traum vom Zuverdienst durch eine Privatvermietung wollten sie trotzdem nicht aufgeben.

Keine Urlauber

Doch jetzt, als gerade alles fertig war und zu Ostern die ersten Gäste hätten einziehen können, machte ihnen die Coronakrise einen gewaltigen Strich durch die Rechnung. Katharina Thieme, die selbst lange in der Pflege gearbeitet hat, glaubt nicht, dass die strengen Auflagen für die Tourismusbranche so schnell gelockert werden und wieder Normalität ins Urlaubergeschäft einzieht. Der Schlüssel für das neue Domizil hing deshalb erstmal bei ihnen am Brett.

Doch dann hörte die junge Frau von einer Freundin, dass die Trucker zurzeit in einer akuten Notlage sind. „Sie berichtete mir von ihrem Mann, der als Lkw-Fahrer deutschlandweit unterwegs ist und aktuell immer weniger Gelegenheiten zum Duschen hat. Selbst WC-Anlagen an den Autobahnen sind schon geschlossen worden. Von den Schwierigkeiten, noch ein Bett zum Übernachten zu finden, ganz zu schweigen“, schildert Katharina Thieme, was ihr zu Ohren kam.

Hilfe angeboten

Sie setzte sich daraufhin an den PC und checkte, was genau daran so dramatisch ist. Was sie sah und las, machte sie betroffen. „Ich habe von Schicksalen erfahren, die mir Gänsehaut beschert und die Tränen in die Augen getrieben haben“, resümiert die zweifache Mutter das Ergebnis ihrer Recherchen. Die Lkw-Fahrer hätten sich schon lange wie Menschen zweiter Klasse gefühlt, aber jetzt würden sie schlechter als Hunde behandelt – so der Grundtenor der Klagen im Netz. Durch das aufgehobene Sonntagsfahrverbot und die gelockerten Fahrtzeitenregelungen würde das Ganze noch weiter dramatisiert. In vielen Ecken des Landes haben sich daraufhin schon Hilfsinitiativen gegründet. Fremde Menschen stellen den Lkw-Fahrern ihre Häuser, WCs, Duschen und Küchen zur Verfügung, damit sie sich kurz von ihrem harte Job erholen können. „Das fand ich riesig toll“, sagt Katharina Thieme.

Ohne Bezahlung

Sie besprach das Ganze dann mit ihrem Mann. Wenig später fiel die Entscheidung, ebenfalls zu helfen. „Was soll‘s, unser Gästehaus hätte jetzt eh leer gestanden, weil keine Urlauber mehr erlaubt sind“, betonen die zwei: „Warum sollen wir es jetzt nicht Menschen in Not zur Verfügung stellen?“ Gesagt, getan; das Paar aus Haßleben informierte daraufhin den Uckermark Kurier: „Können Sie nicht die breite Masse darüber informieren, dass wir ab sofort unsere Türen offen halten. Nicht um Geld zu verdienen. Die Trucker können bei uns kostenlos übernachten, duschen und zur Toilette gehen. Nicht auf gewerblicher Basis, sondern als rein nachbarschaftliche Hilfe, die in schweren Zeiten wie den jetzigen eigentlich überall geboten sein sollte. Die Trucker haben doch auch kein Geld.“

Vielleicht ein Hinweisschild

Die Thiemes hoffen, dass ihnen im Nachgang die Behörden keine Schwierigkeiten machen. „Man kann uns doch nicht verbieten, unsere Türen für Bedürftige zu öffnen. Nächstenliebe sollte uns allen ein Anliegen sein“, sagt Steffen Thieme, ein gläubiger Christ. Seine Frau fügt hinzu, dass sie das Leben zu Hilfsbereitschaft und Dankbarkeit erzogen habe. Sie fände es toll, wenn die zuständigen Ämter vielleicht sogar einem Hinweisschild direkt an der Ortsdurchfahrt zustimmen würden, damit die Trucker in Haßleben den Weg zur Kuhzer Straße 17 finden und bei ihnen klingeln können.