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Tragödie in der Uckermark

Der einsame Tod des Landstreichers von Brüssow

Brüssow / Lesedauer: 4 min

Zwölf Tage sind seit dem rätselhaften Leichenfund von Brüssow vergangen. Lange Zeit wusste niemand, wer der Verstorbene ist. Jetzt gibt es einen Verdacht.
Veröffentlicht:01.11.2019, 14:00

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Vor zwei Wochen machten Spaziergänger am Brüssower See einen schrecklichen Fund. Sie entdeckten am Ufer einen leblosen Mann. Der herbeigerufene Notarzt konnte nur noch dessen Tod feststellen. Einen Namen auf dem Totenschein gibt es aber bis heute nicht. Zwölf Tage später herrscht weiter Unklarheit darüber, wer dort gestorben ist.

Die Polizei in Prenzlau kann noch immer nicht mit Sicherheit sagen, um wessen Leiche es sich handelt. Nach Inaugenscheinnahme des Verstorbenen war der Presse zunächst nur mitgeteilt worden, dass der Mann zwischen 50 und 60 Jahre alt gewesen sein muss. Äußerliche Verletzungen hatte er keine, hieß es damals. Die Gerichtsmedizin bestätigte später, dass der Mann eines natürlichen Todes gestorben sei.Man hatte ihn am 20. Oktober in einem stark unterkühlten Zustand aufgefunden, schon da nicht mehr ansprechbar. Er konnte also nicht sagen, wie er heißt und woher er kommt.

Handys gefunden

Auch die drei bei dem Mann gefundenen Handys brachten die Ermittler nicht weiter. Zwei waren ausgeschaltet, das dritte PIN-gesichert; aber die Sprachsteuerung war auf Polnisch eingestellt, was die Vermutung nahe legte, dass er aus Osteuropa stammt. Kriminalhauptkommissar Andreas Bartz zufolge hat sich an diesem Kenntnisstand bis dato nicht viel geändert. Nach dem Fund sei die Staatsanwaltschaft Neuruppin „Herrin des Verfahrens“ geworden, erklärte der Prenzlauer Kripo-Mann auf Nachfrage.

Dort hat Dr. Radoslaw Czupryniak jetzt die Akte auf dem Tisch. Der Staatsanwalt ordnete einen Abgleich der persönlichen Merkmale des namenlosen Toten mit den Vermisstenfällen in Deutschland an, doch das brachte keinen Treffer. Nach der Obduktion wurden Angaben zum Zahnstatus, zu eventuellen Knochenbrüchen sowie die DNA des Toten ins System der Polizei eingepflegt. Aber der Computer warf keine Übereinstimmungen aus.

Im Ort selbst wurde da bereits gemunkelt, dass es sich bei der Leiche um einen polnischen Staatsbürger handeln könnte. Und damit liegen die Brüssower vermutlich nicht falsch. Der für Presseauskünfte zuständige Dezernent der Staatsanwaltschaft Neuruppin bestätigte Ende der Woche, dass es jetzt endlich eine Vermutung gibt, was die Identität anbelangt.

Öffentliches Ärgernis

Staatsanwalt Torsten Sauermann zufolge habe die örtliche Polizei den entscheidenden Hinweis gegeben. Die Beamten waren vor circa drei Wochen wegen eines Falls von Erregung öffentlichen Ärgernisses in den Raum Brüssow gerufen worden. Vor Ort nahmen die Polizisten damals auch die Personalien des Tatverdächtigen auf. Dabei handelte es sich um einen polnischen Staatsbürger ohne festen Wohnsitz.

„Wir haben uns daraufhin mit den dortigen Behörden ins Benehmen gesetzt“, erläuterte Sauermann das Prozedere. Die hätten ihnen nach Blick in die Datenbanken bestätigt, dass es einen Mann diesen Namens gibt, der keinen festen Wohnsitz hat. Sogar mit Fingerabdrücken konnten die Polen dienen: Er war im Nachbarland schon einmal erkennungsdienstlich erfasst worden. Somit hätte man den Fall innerhalb von Minuten zu den Akten legen können. Rein theoretisch...

Praktisch geht das aber nicht, führte der kommissarische Abteilungsleiter der Staatsanwaltschaft Neurupin weiter aus. Jetzt müsse Polen erst ganz offiziell um Rechtshilfe gebeten werden. Das gehe nur über die Botschaft, „also der ganz lange Weg, das kann dauern“, warb Sauermann um Verständnis.

So lange verbleibt der Leichnam in der deutschen Rechtsmedizin. Ohne Namen auf dem Zettel am großen Zeh, dabei könnte dort längst ein Piotr, Tomasz oder Kzysztof stehen...

Keine Vermisstenanzeige

Es sieht also so aus, als ob der Obdachlose, um den sich vermutlich lange niemand scherte – es gab nämlich nie eine Vermisstenanzeige für ihn –, jetzt noch so viele Leute beschäftigen wird wie in seinem ganzen Leben nicht.

Die Brüssower, bei denen die Infos bereits durchgesickert zu sein scheinen, reagierten zwiespältig auf die Nachricht, dass gerade in ihrem idyllischen Städtchen ein polnischer Landstreicher gestorben ist. Als sich der Uckermark Kurier Ende der Woche auf Spurensuche vor Ort begab, waren viele mitfühlsame Stimmen zu hören. Etliche Leute winkten aber auch genervt ab. „Nie gesehen, nie gehört von ihm“ – gab es zur Antwort auf die Frage, ob dieser Mensch, der offenbar längere Zeit obdachlos und hausierend im Raum Brüssow unterwegs war, nicht irgendwo mal in Erscheinung getreten ist. Traurig.