StartseiteRegionalUckermark▶Bio-Bauer wehrt sich gegen Vorwürfe von Tierschützern (mit Video)

Legehennenskandal bei Prenzlau

▶Bio-Bauer wehrt sich gegen Vorwürfe von Tierschützern (mit Video)

Prenzlau / Lesedauer: 6 min

Tierschützer sind mit erschreckenden Bildern an die Öffentlichkeit gegangen. Sie sollen aus einem Stall in Kutzerow stammen. Der Landwirt ist entsetzt.
Veröffentlicht:23.10.2019, 19:09

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„Kahle Hennen, die sich wegen Enge und sozialem Stress die Federn auspicken; schmerzhaft entzündete, eitrige Kloaken durch dauerndes Eierlegen; zahlreiche tote Tiere zwischen den lebenden“, so beschreibt die Initiative „Animal Rights Watch“ (ARIWA) den Zustand der Hühner im Stall von Familie Menke aus Kutzerow. Die Tierschützer haben kürzlich mehreren Medien Fotomaterial zugespielt, das ihren Aussagen zufolge zwischen April und August 2019 in besagter Anlage im Uckerland aufgenommen wurde.

Bio-Eier keine Garantie

Pressesprecherin Sandra Franz versichert, dass die Bilder zeigen, dass das Bio-Siegel keine Alternative sei, wenn es um echten Tierschutz gehe: „Die aufgedeckten Zustände sind nicht von denen der konventionellen Haltung zu unterscheiden. Tausende Hennen drängen sich in einem Stall. Viele Tiere überleben nicht einmal die einjährige Legeperiode. Die restlichen Hennen werden getötet, sobald die Legeleistung nachlässt und sie damit unrentabel werden. Daher sind Eier nie eine gute Idee, auch nicht mit Bio-Siegel. Wer es mit dem Wohl der Tiere ernst meint, lässt sie leben und ernährt sich einfach vegan.“

Bei Bauer Josef Menke steht das Telefon seit Bekanntwerden der ungeheuerlichen Vorwürfe nicht mehr still. Als der Uckermark Kurier am Mittwoch bei ihm eintrifft, scheint der Landwirt um Jahre gealtert. Keine Frage, der öffentliche Druck setzt ihm zu. Aber noch mehr schmerze ihn, dass seine Mitarbeiter und seine Familie zu Unrecht in Misskredit gebracht würden, beteuert Menke. Der Unternehmer spricht von einer Hetzkampagne, wie sie auch andere Landwirte schon durchleben mussten. „Da werden Halbwahrheiten zusammen gestrickt mit nur einem Ziel, die Bauern kaputt zu machen“, betont der Stallbetreiber: „Wenn es den Aktivisten wirklich ums Tierwohl gegangen wäre, dann hätten sie uns doch sofort damit konfrontiert, um dem Leid der Tiere ein Ende zu bereiten; und unverzüglich die Kontrollbehörden eingeschaltet.“ Die Medien hätten sein Angebot, sich im Betrieb selbst von den Zuständen zu überzeugen, übrigens nicht angenommen – ausgenommen der Uckermark Kurier.

„Es wurde gewartet, bis ein günstiger Moment da war, um Hysterie zu schüren“, schießt Menke jetzt zurück. Er habe davon erst Anfang September erfahren, als ein Fernsehsender um eine Stellungnahme bat. In diesem Moment, so Menke, sei ihm klar geworden, dass die Tierschützer wohl bei ihm eingebrochen waren. Daraufhin habe er die Flucht nach vorn angetreten und sofort das zuständige Veterinäramt in Prenzlau als auch die Bio-Kontrollstelle und das Zertifizierungsinstitut in Kenntnis gesetzt.

„Der mutmaßlich gefilmte Bestand lebte zu diesem Zeitpunkt noch. Noch am selben Tag gab es erste Kontrollen“, versichert Josef Menke und legt dem Uckermark Kurier zum Beweis sämtliche Prüfprotokolle vor.

Federpicken eingeräumt

„Ich wollte diese Anschuldigungen nicht auf uns sitzen lassen.“ Die Experten hätten nicht eine einzige Tierwohlgefährdung zu bemängeln gehabt, sagt er bestimmt: „Schauen Sie selbst, da stehen 100 Prozent Normerfüllung im Audit.“

Josef Menke räumt ein, dass einige, „nicht alle“, der besagten Filmaufnahmen durchaus aus seiner Anlage stammen könnten. „Am Ende der Legeperiode sehen die Tiere selbstverständlich nicht mehr so unverbraucht wie zu Beginn aus. Das Legen hinterlässt natürlich Spuren.“ Nie wegdiskutiert habe er auch die Tatsache, dass es in dieser Herde massives Federpicken gab. Das sei den Behörden bekannt gewesen, so Menke. „Dagegen haben wir zwar alle möglichen Maßnahmen ergriffen, die bei ‚Bio‘-Produktion möglich sind – Medikamente scheiden ja von vornherein aus. Aber ganz lösen konnten wir das Problem nicht.“

Menke vermutet, dass das an der Rasse lag, die sie zum ersten Mal eingestallt hatten. „Einmal und nie wieder“, wie er sagt: „Das müssen die Gene gewesen sein. Danach gab es diese Auffälligkeiten nicht mehr.“ Dr. Saß vom Veterinäramt bestätigt auf Nachfrage, dass Federpicken kein Zeichen von Nahrungsmangel oder Verwahrlosung sei. Davon könne in dieser Anlage überhaupt keine Rede sein.

„Das Bild von uns wurde total verfälscht“, bezieht auch Anlagenleiter Marcel Muchow öffentlich Stellung. Der 33-Jährige betreut den Legehennenbestand der Menkes seit 2011 und nimmt es sehr persönlich, dass er in der Öffentlichkeit jetzt als Tierquäler hingestellt wird. Der junge Anlagenleiter hat mehrere Erklärungen für die verstörenden Aufnahmen. Zum einen sei das Kamerateam nachts eingebrochen und habe die Herde mit dem grellen Licht aufgescheucht, führt Muchow als Argument ins Feld. Nur dadurch könne er sich die am Boden kriechenden Tiere erklären. „Normalerweise sitzen sie dicht gedrängt auf der oberen Stange. Nicht, weil sie da alle hin müssen, sondern weil das in ihrer Natur liegt.“ Die Bilder zeugten auch von der Panik, die durch das Eindringen der Fremden ausgelöst worden sein dürfte, setzt Josef Menke hinzu.

Dr. Saß, der amtliche Tierarzt des Veterinäramtes, bezeichnet die Aktion aus tierseuchenrechtlicher Sicht als absolute Katastrophe. „Das Eindringen war unverantwortlich, es hätte eine Seuche eingeschleppt werden können“, argumentiert der Experte. Die reißerische Aufmache hält er zudem für den falschen Weg, sich fürs Tierwohl zu engagieren. „Ein Anruf bei uns hätte gereicht und wir wären unangemeldet zur Kontrolle erschienen.“ Dr. Saß lobt den Kutzerower Betrieb als beispielhaft. Bisher habe es hier nie größere Beanstandungen gegeben. „Im Gegenteil, wenn es in allen kleineren Beständen privater Halter ebenso aussehe, hätten wir weitaus weniger Probleme. Da könnte ich Ihnen sogar Ställe nennen, wo es Tuberkolosebefall gab.“

Die Kutzerower hingegen kontrollierten in Eigenregie sogar alle 15 Wochen auf Salmonellen und Dioxin. Das sei belegbar. Die vermutlich gefilmten Tiere seien übrigens kurz darauf wie geplant geschlachtet worden, ergänzt Josef Menke.

Hennen begutachtet

„Dazu wurden sie im Schlachthof nochmal nacheinander von drei Veterinären begutachtet. Die Schlachtbelege liegen vor. Sie sind allesamt absolut unauffällig gewesen“, setzt Marcel Muchow energisch hinzu. Beim Besuch des Uckermark Kurier demonstriert er mehrere Annehmlichkeiten, die dem Tierwohl dienen. Zum einen habe das Bio-Legehuhn deutlich mehr Platz und ganzjährig großzügige Freilaufmöglichkeiten. In den ersten Eingewöhnungswochen und bei Frost stehe zudem ein „Wintergarten“, der so genannte Kaltscharrraum, zur Verfügung, in dem Licht und Platz sei. Josef Menke manifestiert abschließend, dass es natürlich jedem frei stehe, selbst Hühner zu halten. Um den großen Bedarf zu befriedigen, führe allerdings an großen Anlagen kein Weg vorbei. „Außer wir machen hierzulande alles tot und importieren dann Flüssigei aus Ländern, in denen es überhaupt keine Kontrollen gibt. Oder der Verbraucher ist endlich bereit, auch das zu bezahlen, was er ständig nur fordert.“