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Kraftfahrerstammtisch

Altes Paar aus Prenzlau will Führerschein ohne Deadline

Prenzlau / Lesedauer: 4 min

Eine Altersgrenze fürs Autofahren? Die Vierks aus Prenzlau sind strikt dagegen. Sie haben eine andere Idee, Senioren fit für den Verkehr zu machen.
Veröffentlicht:08.11.2019, 16:57

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Hanna Vierk ist immer auf dem Sprung. Obwohl schon 80 Jahre alt, platzt der Terminkalender der Prenzlauerin noch aus allen Nähten. „Mein Tag müsste mehr als 24 Stunden haben“, sagt die Seniorin lachend mit Verweis auf die vielen Freizeitaktivitäten, bei denen sie Stammgast ist. Längst nicht alle Veranstaltungen finden in ihrer Heimatstadt statt. Zum Tanzen beispielsweise muss sie einmal im Monat nach Schönwerder fahren. „Ohne Auto ginge das alles gar nicht“, ist sie sich bewusst.

Dann fügt die pensionierte Polizistin stolz hinzu: „Zum Glück habe ich den Führerschein.“ In ihrer Generation hat das vermutlich wirklich Seltenheitswert. Autofahren war lange Zeit Männersache, auch in der DDR, obwohl Gleichberechtigung da eigentlich groß geschrieben wurde. Die Fahrerlaubnis erworben hat die Prenzlauerin schon vor vielen Jahrzehnten.

Führerschein 1970 erworben

„Das dürfte so um 1970 gewesen sein. Ich musste dienstlich nachts oft raus“, erinnert sie sich zurück. Das habe das ganze Verfahren letztlich auch beim Autokauf beschleunigt. Hanna Vierk jedenfalls fand schnell Gefallen an der neu gewonnenen Selbstständigkeit. „Bis heute bin ich Kraftfahrer mit Leib und Seele“, versichert sie selbstbewusst. Die schlimmste Vorstellung sei, alters- oder krankheitsbedingt aufs Selbstfahren verzichten zu müssen. „Ich möchte auf niemanden angewiesen sein“, setzt sie energisch hinzu.

Höchstalter für Führerschein

Zum Glück habe es das Schicksal bislang gut gemeint mit ihr, bekräftigt Hanna Vierk: „Bis auf ein paar kleine Wehwehchen fühle ich mich top in Form.“ Sie könnte deshalb auch aus der Haut fahren, wenn wieder mal die Forderung, Senioren ab einem bestimmten Alter die Fahrerlaubnis zu entziehen, durch die Medien geistere. „Das ist doch Diskriminierung schlimmster Art“, betont Hanna Vierk empört: „Die Jungen sollen mal nicht so tun, als ob sie keine Fehler machen. Jeder macht Fehler, auch im Verkehr.“ Sie appelliert nichtsdestotrotz an die Menschen in der zweiten oder dritten Lebenshälfte, ihre fahrerischen Qualitäten kritisch zu beurteilen. „Ich sage ja immer, dass man sich neben dem Enkel ans Steuer setzen sollte. Wenn der meint, dass es mit Oma oder Opa als Fahrer gar nicht mehr geht, sollte man Konsequenzen ziehen.“

Sie habe bis jetzt immer das volle Okay bekommen. Ein Grund dafür könnte sein, dass sie regelmäßig zum Kraftfahrerstammtisch geht. Ja, Sie haben richtig gelesen, liebe Leser. So etwas gibt es in der Uckermark. Seinen Ursprung hatte dieser bei der „Akademie 2. Lebenshälfte“, einem Verein, der sich um die Bildung älterer Menschen verdient gemacht hat. In dessen Regie fanden viele Jahre lang Fachvorträge und Seminare zu den verschiedensten Themen statt, auch zum Verkehr.

Treff in Uckerwelle

„Unser Moderator Hans-Jürgen Prauße sorgte auch nach dem Aus der Akademie dafür, dass es mit dem Kraftfahrerstammtisch weitergeht“, freut sich Armin Vierk, Kriminalhauptkommissar a. D. Zum Glück habe sich durch die Vermittlung von Norbert Reddemann auch ein neuer Raum für die Treffen gefunden, setzt die Frau des 84-jährigen Ex-Kriminalisten hinzu: „Wir treffen uns jetzt immer jeden ersten Mittwoch im Monat ab 9.30 Uhr in der Uckerwelle.“ Hanna Vierk betont, dass es für selbstfahrende Senioren immens wichtig sei, ihr Wissen über Veränderungen im Verkehr aufzufrischen. „Wir sprechen mit den Teilnehmern über das richtige Verhalten im Straßenverkehr, thematisieren Vorfahrtsregeln, Neuerungen wie Kreisverkehre, üben den Schulterblick und das Einparken.“

Denn Fakt sei, dass die Alten noch zu DDR-Zeiten die Fahrerlaubnis erworben haben. „Und seitdem hat sich so viel verändert. Nicht nur bei den Verkehrsregeln, sondern vielmehr insgesamt auf der Straße. Schon allein die Fahrzeugdichte wäre damals doch unvorstellbar gewesen. Ebenso die große Aggressivität untereinander, die zunehmend zu beobachten ist. Damit haben Kraftfahrer bis heute Probleme“, gibt Hanna Vierk wieder, was sie selbst so beobachtet.

Kritik an den Altersgenossen

Typisch für ihre Generation sei, viel zu viel Abstand zum Vordermann zu halten oder viel zu lange an Bahnübergängen zu warten. „Wenn sich die Schranke hebt, kann man das Auto doch wieder anlassen“, bekräftigt die 80-Jährige. „Ja, ja, das macht sie immer ganz wild, wenn die anderen nicht sofort Gas geben“, bestätigt ihr Mann lachend.

Beide würden sich deshalb sehr freuen, wenn der harte Kern des Kraftfahrerstammtisches von 25 Senioren noch größer wird. „Es lohnt sich“, versichert Armin Vierk: „Am Jahresende gibt es immer eine Teilnahmebescheinigung. Außerdem bieten wir den Fahr-Fitness-Check an. Der lohnt sich.“ Seine Frau manifestiert, dass es gerade in einem Flächenkreis wie der Uckermark immens wichtig sei, dass alte Menschen so lange wie möglich sicher und mobil am Straßenverkehr teilnehmen können. Der Kraftfahrerstammtisch sei ein Meilenstein auf diesem Weg, den übrigens auch die Stadt Prenzlau zu schätzen wisse. Von dort gab es anlässlich des zehnjährigen Bestehens des Projektes eine Förderung, sagt Armin Vierk abschließend dankbar.