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Neue Ausstellung auf Rügen

Prora-Baupläne in altem Überseekoffer entdeckt

Prora / Lesedauer: 3 min

Jahrzehntelang schlummerten die alten Baupläne des Chefstatikers von Prora im Keller eines Kölner Wohnhauses. Erst als 2018 sein Sohn starb, entdeckten die Nachfahren die historischen Dokumente, die jetzt erstmals der Öffentlichkeit präsentiert werden.
Veröffentlicht:12.02.2020, 12:45

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Als die Hinterbliebenen im Herbst 2018 den Keller des Verstorbenen ausräumten und aus einem Überseekoffer und einer alten Kiste etliche Handbücher mit Bauplänen entnahmen, sollen sie erst gar nicht verstanden haben, was für einzigartige Dokumente sie da in den Händen hielten. Vom Projekt ihres Großvaters, dem KdF-Seebad Rügen in Prora, hatte die Enkelin angeblich bis dato noch nie etwas gehört, sagt Kuratorin Katja Lucke.

Wochen später kam die Hinterlassenschaft von Adolf Leber, dem Bauingenieur und Chefstatiker von Prora, als Dauerleihgabe ins Dokumentationszentrum Prora, dessen Mitarbeiter den spektakulären Fund auswerteten. Ab Donnerstag wird er zum ersten Mal der Öffentlichkeit vorgestellt, in einer Ausstellung, die wie keine vor ihr die Baugeschichte des im Größenwahn geplanten „Seebades der 20.000“ im Nationalsozialismus dokumentiert.

Adolf Leber galt als rechte Hand von Prora-Architekt Clemens Klotz (1886-1969). Beide hatten nicht nur in Prora, sondern zum Beispiel auch an den NS-Ordensburgen Vogelsang und Crössinsee zusammengearbeitet. Etwa 1000, vergilbte und zum Teil beschädigte Blätter mit Berechnungen, Zeichnungen und Bauplänen hatte Leber nach Kriegsende aufbewahrt.

800 Meter lange Landungsbrücke für KdF-Schiffe

Die jetzt gezeigten historischen Unterlagen belegen nicht nur die verschiedenen Bauphasen des Projekts Prora. Dokumentiert sind auch die komplexen infrastrukturellen Vorbereitungen wie die Schaffung von Zufahrtsstraßen und Bahnstrecken, einer Bauarbeitersiedlung und die Erschließung der Kiesgrube Zirkow mit Kieswerk.

Aus ihnen geht auch hervor, wie das nie fertiggestellte KdF-Seebad auf Rügen einmal hätte aussehen sollen, inklusive Festplatz, riesiger Festhalle, Schwimmhalle und 800 Meter langer Landungsbrücke für KdF-Schiffe. Vorgesehen waren auch Angestelltenhäuser, eine Gärtnerei, ein Wasserwerk, ein Kraftwerk, ein Schlachthof, eine Großbäckerei und Wäscherei sowie Großgaragen und sogar ein Krankenhaus. So ist auf einer Pergamentrolle zum Beispiel ersichtlich, dass sich durch den gesamten Häuserkomplex ein sogenannter „Fahrtunnel“ ziehen sollte.

Während des Krieges Baupläne geändert

Lebers Korrespondenz mit Oberbauleiter Willi Heidrich dokumentiert auch, wie die einzelnen Baupläne im Kriegsverlauf immer wieder angepasst wurden, vor allem weil es zunehmend an Geld und Material mangelte. Zudem wird deutlich, dass mit Kriegsbeginn 1939 und dem Abzug der Bautruppen die Überarbeitungen vermutlich bis 1942 fortgesetzt wurden. Zum Einsatz kamen jetzt Zwangsarbeiter, die Bauwerke sicherten, Nachbesserungen vornahmen und Rohbauten für Luftwaffenhelferinnen, Polizeibataillone und Wehrmachtslazarett herrichteten.

„Aus den Dokumenten ergeben sich nicht unbedingt völlig neue Erkenntnisse“, sagt Kuratorin Katja Lucke. Die Geschichte von Prora müsse nicht umgeschrieben werden. „Doch die Aufzeichnungen machen das Projekt jetzt viel anschaulicher.“

Besonders anschaulich wird die einzigartige Ausstellung auch durch Aufnahmen aus dem unlängst aufgetauchten Fotoalbum von Josef Schreiber, einem jungen Bauingenieur, der damals im Baubüro von Klotz tätig war und von Juni 1938 bis Januar 1940 das Baugeschehen fotografisch festgehalten hatte.

Ausstellung läuft bis Ende 2020

Zu sehen sind auch Karten, die in den 1980er Jahren beim Umbau des Geologischen Instituts in Greifswald entdeckt worden waren. Sie zeigen unter anderem die Verortung von Brunnenbohrungen und die umfangreichen Bodenuntersuchungen bei den Vorarbeiten.

Abgerundet wird die bis zum Jahresende gezeigte Ausstellung mit zwei Mediastationen, in denen neben einem Interview mit einem Zeitzeugen auch ein bislang noch nicht veröffentlichter Baustellenfilm von Oberbauleiter Heidrich angeschaut werden kann.

Mehr Informationen zur Ausstellung auf der Internetseite des Dokumentationszentrums.