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Untersuchungshaft Neustrelitz

Beklemmende Rückkehr in den Stasi-Knast

Neustrelitz / Lesedauer: 3 min

Ein Ehepaar besuchte mehr als 30 Jahre nach ihrer Gefangenschaft die ehemalige Untersuchungshaft der Stasi. Ein Vierteljahr ihres Lebens hat das Paar in den Zellen in Neustrelitz verbracht – in ständiger Ungewissheit, was mit ihren Kindern passiert.
Veröffentlicht:01.04.2019, 06:18

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Die stickige Luft in der engen Zelle schnürt einem fast die Kehle zu. Denn nur ein winziger Spalt lässt sich zwischen den dicken Glasbausteinen der ehemaligen Stasi-Untersuchungshaft in Neustrelitz lüften. Gleichzeitig scheinen die kahlen Wände immer näher zu rücken. Eine gespenstische Stille – bis das metallische Klirren der Stahltür jedem Besucher das Mark erschüttert. Die schallende Öffnung der Luke vibriert im ganzen Körper.

Auch mehr als 30 Jahre nach ihrer Gefangenschaft lässt Barbara Beständig der Besuch der Haftanstalt am Freitag wieder erschaudern. Dennoch besteht ihr Mann Harald – ebenfalls ehemaliger Häftling – an diesem Tag darauf, die Tür der Zelle einmal ganz zu schließen und das beklemmende Gefühl vorzuführen, unter denen das Paar mehrere Monate leiden musste.

„Wir wollen, dass die Freiheit in der Bundesrepublik erhalten bleibt“, sagt Harald Beständig. Aus diesem Grund gebe das Paar gerne ihre persönliche Geschichte weiter. Der Wunsch nach Freiheit hatte die Eheleute nach eigenen Angaben überhaupt erst in die Stasi-U-Haft in Neustrelitz gebracht. Denn Harald und Barbara Beständig wollten Mitte der Achtziger nach Hamburg „umziehen“. „Uns ging es in der DDR verhältnismäßig gut – doch wir fühlten uns in unserer Freiheit beraubt“, sagt Harald Beständig. Aber ihren Plan hatten sie zuvor der Bundesrepublik mitgeteilt. „Das ist der Stasi nicht verborgen geblieben“, sagt der 69-Jährige.

Bei einer arrangierten Verkehrskontrolle im Februar 1984 sei das Paar dann festgenommen worden. „Ein Mann mit Mantel und Hut ist aus dem Gebüsch gesprungen“, sagt Barbara Beständig. Die Eheleute haben sich nicht einmal voneinander verabschieden dürfen. Noch aufwühlender: Die Kinder seien im Auto einfach zurückgeblieben. Zwölf Stunden wurden sie laut Barbara Beständig durch verschiedene Kinderheime geführt – bis sie irgendwann doch den Großeltern übergeben wurden.

Aufzeichnungen sollen Teil der Ausstellung werden

„Damals hatten wir aber nicht die Gewissheit, dass es wirklich so war“, sagt Harald Beständig. Die Zukunft der Kinder hätte die Stasi als ständiges Druckmittel genutzt. „Es schwebte wie ein Damokles-Schwert über uns – die Stasi hatte die Macht, sie jederzeit wegzuholen“, sagt Harald Beständig. In blauen Trainingsanzügen fristeten die Beiden so bis Mai des selben Jahres in der Untersuchungshaft in Neustrelitz ein Dasein in ständiger Unruhe – immer in getrennten Zellen. Draußen im „Freigangsbunker“ durfte Barbara Beständig nicht einmal husten. „Es hätte ja sein können, dass ich mich mit meinem Mann verständigen wollte.“ Die Schließer hätten ihre Uhren stets umgedreht, damit sie die Uhrzeit nicht erkennen konnte. Groll hegte das Paar nach eigenem Bekunden gegen die Wärter allerdings nicht. „Sie waren nur Werkzeuge.“

Nachdem Harald und Barbara Beständig im Mai 1984 verurteilt wurden, kamen sie schließlich in ein anderes Gefängnis – woraus sie nach rund einem halben Jahr freigekauft wurden. Ihre ganze Geschichte erzählt das Paar dem Verein „Erinnerungsort Stasi-Untersuchungshaftanstalt Töpferstraße“ an unterschiedlichen Terminen wie diesem. Die Aufzeichnungen sollen laut dem Vereinsvorsitzenden Michael Körner in Teilen in die Ausstellung in der ehemaligen Stasi-Haft integriert werden. „Wir sind mitten in der Umsetzung der Dauerausstellung“, sagt Körner. Vor den Zellen entstehe noch ein Versammlungsraum für Gruppen und Schulklassen. Neben einem Raum der Stille zum Erinnern oder Trauern sei noch eine Zelle in Originalzustand geplant. Außerdem würden 20 Tafeln unter anderem über den den Alltag der Häftlinge informieren.

Neben weiteren Interviews mit ehemaligen Häftlingen plant der Verein laut Michael Körner auch noch Täter vor das Mikrofon zu bekommen. „Doch wir sind nicht allzu optimistisch“, räumt der Vereinsvorsitzende ein.