StartseiteRegionalNeubrandenburg▶ Spezialtruppe sagt DDR-Schrott der Bauern den Kampf an

Kein Trecker-Gespann ohne Mängel

▶ Spezialtruppe sagt DDR-Schrott der Bauern den Kampf an

Altentreptow / Lesedauer: 5 min

Im Ernte-Stress setzen manche Landwirte in MV alles in Bewegung, was ihr Fuhrpark hergibt. Die Polizei hat nun aber ein Ziel: 30 Jahre nach der Wende muss der DDR-Schrott endlich von den Straßen verschwinden.
Veröffentlicht:13.08.2020, 09:49

Artikel teilen:

Der eine verliert Ladung, am nächsten lösen sich Radbolzen, mal sind Reifen verschlissen, Bremsen funktionieren nicht oder die Versicherung fehlt: Immer wieder zieht die Polizei zurzeit landwirtschaftliche Anhänger aus dem Verkehr. „Man trifft auf die tollsten Sachen. Der TÜV würde die Hände überm Kopf zusammenschlagen“, sagt Sven Felix von der Besonderen Verkehrsüberwachung des Autobahn- und Verkehrspolizeireviers Altentreptow. Was ist los in den Fuhrparks der Bauern im Osten Mecklenburg-Vorpommerns?

Mehr lesen: Traktor-Anhänger mit Uralt-Reifen und DDR-Kennzeichen unterwegs.

Die Landwirte sind mitten in der Ernte. Sie stehen unter Druck. Alles muss schnell gehen. Da wird oft jeder fahrbare Untersatz mobilisiert. Einige davon rosteten aber schon zu DDR-Zeiten vor sich hin. Manche brauchen laut Straßenverkehrsordnung keinen TÜV. Diesen Rostlauben und Klapperschesen haben Sven Felix und seine sieben Kollegen von der Spezialtruppe zur Güterverkehrsüberwachung den Kampf angesagt.

„30 Jahre nach der Wende muss der DDR-Schrott endlich von den Straßen verschwinden“, sagt der 54-Jährige. Zusammen mit seinem Kollegen Torsten Krüger fuhr er am Mittwoch Streife durchs Land. Die speziell geschulten Polizisten haben den richtigen Riecher. Jedes Gespann, das sie am Mittwoch stoppten, hatte Mängel.

Mehr lesen: Reifen aus der DDR – Polizei stoppt Landwirt

Drei von vier Reifen Fall für den Schrott

In Altentreptow erwischten sie zum Beispiel Johannes Holm. Der 21-Jährige wollte im Auftrag seines Chefs einen Traktorreifen zur Reifenwerkstadt bringen. Leider waren die Reifen des Anhängers, auf dem der Traktorreifen lag, selbst ein Fall für den Schrottplatz. Drei der vier Reifen waren porös, hatten Risse und waren abgefahren. Da war es fast schon Nebensache, dass der Fahrer keine Papiere dabei hatte und ein Typenschild fehlte. So durfte der junge Mann gerade noch die paar Meter bis zur Werkstatt fahren. Die Beamten beließen es bei 10 Euro Verwarngeld und der Auflage, dass die Reifen binnen sieben Tagen gewechselt werden. Johannes Holm nahm‘s gelassen. „Hilft nichts. Muss ja sein.“

Mehr lesen: Bei Rapsernte im Dauereinsatz mit vier km/h

Als nächster kam ihnen Ulf Grießner auf der B104 bei Stavenhagen verdächtig vor. Er war mit einem Schwader zum Einbringen von Heu unterwegs, der offensichtlich schon einiges mitgemacht hatte. Eine Lampe war kaputt. Auch sonst sah das Teil irgendwie abenteuerlich aus. Er wollte gerade zum Mittagessen auf den Hof. Das musste erst mal warten. Kurz vor der Einfahrt kam die rote Kelle. Fahrzeugpapiere konnte er nicht vorweisen. „Wenn die Chefs ihren Leuten die Papiere nicht mitgeben, ist das Vorsatz und kann 20  Euro kosten“, erklärte Sven Felix. Das wollten die Polizisten Ulf Grießners Chefin persönlich erklären. Sie begleiteten den Mann aufs Gehöft, wo die Aufregung bei ihrem Anblick zunächst groß war. Doch schnell wurde alles geklärt. Die Papiere befanden sich im Traktor, der Fahrer hatte sie nur nicht gefunden. Die Landwirtin kam mit einer Belehrung davon.

Gefühlssache, wann der Anhänger voll ist

In Altenhagen war der nächste dran: Der Mitarbeiter eines Landwirtschaftsbetriebes fuhr mit einem 40-Tonner durchs Dorf, der einen Berg Getreide geladen hatte. Eine Plane war nicht drauf – Ladung nicht gesichert. Mit Blaulicht stoppten die Beamten den Mann. Der hatte nur eins im Sinn: die Zeit. Die Mähdrescher durften nicht stehen bleiben. Die Ernte lief auf Hochtouren. Er wollte das Getreide zum Silo bringen und schnell zurück auf den Acker. Per Handy regelte er das Problem. Ein anderer Anhänger musste beladen werden, weil seiner ein paar Minuten ausfiel. Auch seinen Chef rief er schnell noch an.

Der eilte im Geländewagen herbei und war ziemlich aufgebracht. „Ich habe die Faxen dicke“, sagt er. „Das ist die zweite Kontrolle in dieser Woche. Wir stehen extrem unter Stress und geben uns größte Mühe, trotzdem alles einzuhalten.“ Seine Fahrer wüssten, dass die Getreide-Anhänger entweder nicht voll sein dürfen oder eine Plane haben müssen. Er könne aber nicht alles überwachen oder allein machen. Absichtlich sei die Überladung nicht. Der Anhänger sei so hoch, dass der Mähdrescherfahrer nicht in den Anhänger sehen kann. Eine Kamera gebe es für diesen Typ Hänger nicht, eine Waage könne sein Unternehmen sich nicht leisten. So sei es ein bisschen Gefühlssache, wann die Fuhre voll ist.

Immer wieder Verstöße mit Uralt-Technik

Nachdem 35 Euro Verwarngeld bezahlt worden waren, trennte man sich einvernehmlich. Die Polizisten zeigten Verständnis für die Bauern und umgekehrt. Auge zudrücken ist trotzdem nicht drin. Zwar sei es schon besser geworden, die Verstöße würden weniger, doch so etwas, wie am Montag in Groß Dratow bei Waren komme leider immer wieder vor.

Dort legten Sven Felix und Torsten Krüger einen Anhänger mit 30 Jahre alten Reifen still, bei denen kein Profil vorhanden und das Gewebe unter dem Gummi sichtbar war. Papiere, Zulassung, Fabrikschild, Lampen und Identifikationsnummer fehlten. Stattdessen prangte ein Neubrandenburger DDR-Kennzeichen am Heck – der vorläufige Höhepunkt dieser Woche.