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Tödlicher Unfall

Prozess in Neubrandenburg: Toter Fußgänger könnte noch leben

Neubrandenburg / Lesedauer: 3 min

Am Neubrandenburger Landgericht gerät in der Angelegenheit gegen einen mutmaßlichen Todesraser alles sehr kompliziert. Den Gutachtern kann kaum noch ein Zuhörer folgen, dabei könnten ihre Ausführungen entscheidend sein.
Veröffentlicht:16.10.2018, 17:21

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Ihm reicht es jetzt, seufzt am Nachmittag der Vorsitzende Richter Carl Christian Deutsch. Die Erwartung vom Vormittag, im Prozess gegen einen 21-jährigen jungen Mann aus Neubrandenburg am Nachmittag die Plädoyers der Staatsanwaltschaft, des Nebenklägers und der Verteidigung zu hören, ist in der Debatte um Bremswege, Reaktionszeiten sowie räumliche und zeitliche Vermeidbarkeiten des Verkehrsunfalls längst zerstoben. Am Donnerstag jetzt, so der Plan, sollen die Prozessparteien ihre abschließende Sicht auf die Dinge darlegen und das Gericht ein Urteil sprechen.

Fußgänger stirbt bei Unfall

Ein damals 20-Jähriger soll, so der Vorwurf, am späten Abend mit überhöhter Geschwindigkeit auf der Demminer Straße unterwegs gewesen und mit einem 33-jährigen Fußgänger zusammen gestoßen sein. So heftig, dass der Mann noch an der Unfallstelle starb.

Ein Rechtsmediziner beschreibt am Dienstag vor dem Gericht die schweren Verletzungen, die sich das Opfer zuzog. Der Prozess um den toten Fußgänger droht, zerrechnet zu werden. Ohne Zweifel steht fest, dass der junge Autofahrer mit seinem geborgten 270-PS-Wagen zu schnell unterwegs war.

Die Frage steht aber im Raum, ob der Unfall dennoch vermeidbar gewesen sei. Vielleicht, so der Experte auf der Verteidigerseite, habe ja auch der Fußgänger, im Angesicht des nahenden Autos, seine Geschwindigkeit beim Überschreiten der Straße jenseits aller Ampeln erhöht. Wäre er auf das Auto getroffen, wenn er „normal“ weiter gegangen wäre?

Rechtzeitig anhalten wäre möglich gewesen

Der Rechtsanwalt, der die Nebenkläger-Eltern vor Gericht vertritt, bezweifelt, dass der Sohn seiner Mandanten auf der Straße gerannt sei. Der habe doch, gerade hatte der Rechtsmediziner das erläutert, gehörig unter dem Einfluss von Cannabis gestanden und zudem laut Musik über seine Kopfhörer gehört. „Der bewegte sich nicht schnell“, so der Anwalt. Der Mann von der Dekra sagt: Der Fahrer hätte das Auto wohl rechtzeitig zum Stehen bringen können – bei Einhaltung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit.

Angeklagter wuchs zwischen Autos auf

Der Abgesandte der Jugendgerichtshilfe, der in den vergangenen Wochen ausführliche Gespräche mit dem Angeklagten führte, bescheinigte ihm einen ausgeprägten „Autofimmel“. Selbst jetzt, schon ein Jahr ohne Fahrerlaubnis, lasse der es sich nicht nehmen, an sogenannten Tuningtreffen teilzunehmen. Und schon früher, wenn andere Kinder irgendwo herumtobten, wuchs der junge Mann zwischen Autos auf – seine Mutter arbeitet bei einem großen Autovermieter.

Gewundert habe er sich schon, so Eindruck des erfahrenen Mannes von der Jugendgerichtshilfe, dass der junge Mann nur nicht sehr betroffen zu sein schien von dem Geschehen. „Er ist wenig emotional“, sagte er und riet zu psychologischer Betreuung.