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„Rotkäppchen, Teil 2“

Dieses Warnschild schürt die Angst vor dem Wolf

Neubrandenburg / Lesedauer: 3 min

Ein kleines Schild an der Grenze zwischen Staven und Bassow sorgt bei Waldspaziergängern Unbehagen. Das Forstamt rät zur Gelassenheit. Denn offenbar wurde das Schild genau dafür aufgestellt.
Veröffentlicht:08.11.2020, 08:05

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Wolfs-Streifgebiet“ steht warnend auf dem Schild am Waldweg. Hunde seien anzuleinen, Kinder zu beaufsichtigen, so der Hinweis. Das Schild am Waldweg zwischen Bassow (Gemeinde Datzetal) und Staven erweckt einen sehr ernst zunehmenden behördlichen Anschein. Hängt es doch direkt über einem weiteren Schild vom Forstamt Neubrandenburg. „Wir würden solche Schilder niemals aufstellen“, sagt allerdings dessen Leiter Harald Menning.

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Denn der möglicherweise gut gemeinte Hinweis des Privatwaldbesitzers hat einen unschönen Nebeneffekt. Bei den Waldspaziergängern sorgt er mindestens für Irritation, eher noch für echte Angst. „Rotkäppchen, Teil 2“ ist ein Begriff, den nun selbst Friedlands Bürgermeister Wilfried Block (parteilos) wiedergibt. „Es wird einem mulmig, man weiß dann gar nicht, wie weit die Kinder noch vom Hof weg können“, sagt er. Der Waldspaziergang selbst werde dadurch auch nicht unbedingt attraktiver.

Die Hinweise sind nicht neu

Denn nicht nur hier stellten private Besitzer Schilder auf. Auch Kristof Nippe, Revierleiter in Lübbersdorf, kennt einige Beispiele. „Ich diskutiere dann durchaus mit Waldbesitzern, ob das wirklich nötig ist“, sagt er. Erlaubt seien die Schilder durchaus. Auch im restlichen Gebiet des Forstamtes Neubrandenburg fragte der Nordkurier nach. Doch die Revierleiter von Golchen, Siedenbollentin, Schönbeck und Neuendorf reagierten eher überrascht über die Geschehnisse in Lübbersdorf und Roggenhagen.

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Die Hinweise sind zudem nicht neu: Hunde sind im Wald ohnehin verpflichtend anzuleinen, und seine Kinder zu beaufsichtigen, war auch noch nie eine schlecht Idee, so die Förster. Dass der Wolf, der nachweislich in Glienke bereits durch einen Rissvorfall auffiel, durch die Region streife, sei ebenfalls allgemein bekannt. Nach Angaben des Landwirtschaftsministeriums gibt es in der Friedländer Region zurzeit das „Eichhorster Rudel“ mit zwei erwachsenen Wölfen und vier etwa fünf Monate alten Welpen. Die einst in Sachsen besenderte Wölfin „FT12 Juli“ streift ebenfalls rund um das Landgrabental herum. Zum Rudel gehört sie entgegen anderslautender Vermutungen aber wohl nicht, teilt das Ministerium mit. Aufgrund ihres Alters konnte sie in diesem Jahr noch gar nicht trächtig werden, bei einem der vielen Rissvorfälle in den letzten Monaten wurde sie ebenfalls nie nachgewiesen.

Womöglich andere Gründe für die Schilder

Beim Landesforstamt Neubrandenburg und den Revierleitern wird daher – wenn auch hinter vorgehaltener Hand – eine ganz andere Vermutung laut, wieso Waldbesitzer ein solches Schild aufstellen könnten: Es schreckt die Menschen ab und verschafft so etwas mehr Ruhe im Forst. Der Wolf sei da eher vorgeschoben.

„In den vergangenen Monaten mit den Corona-Einschränkungen hat der Waldspaziergang mit der Familie eine kleine Renaissance erlebt“, sagt Amtsleiter Menning. Diese Frequentierung sei durchaus mit einer Belastung für Besitzer und Förster verbunden, da diese mehr als zuvor im Sinne der Verkehrssicherungspflicht anpacken mussten. Etwa, indem sie alte Bäume, die auf Wege und Straßen fallen könnten, entfernt haben.

Und wenn doch einmal etwas passiert?

„Aber das freie Betretungsrecht des Waldes bleibt ein hohes Gut“, sagt Menning. Als Naherholungsgebiet steht der Forst jedem offen. Die Schilder dürften also auch als nett gemeinter Hinweis verstanden werden. Gerade bei unerlaubt freilaufenden Hunden existiert tatsächlich die Gefahr, dass ein Wolf sich von denen bedroht fühlt und zum Angriff übergeht.

Selbst als haftungsrechtliche Absicherung für den Waldbesitzer wären die Schilder unnötig. Sollte jemand im Wald durch den Wolf zu schaden kommen, werden sie nicht belangt. „Der Wolf ist ein Wildtier und Wild gilt als herrenlos“, sagt Claus Tantzen, Pressesprecher des zuständigen Landwirtschaftsministeriums. Tatsächlich sei es in Mecklenburg-Vorpommern aber noch nie zu einem Wolfsangriff auf einen Menschen gekommen, sagt er.