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No Body is perfect

Danke für diese TV-Revolution!

Neubrandenburg / Lesedauer: 5 min

Am Montag lief die erste Folge der neuen Nackt-Sendung „No Body is perfect” auf Sat.1. Unsere Kommentatorin fand die erste Folge – perfekt unperfekt!
Veröffentlicht:14.01.2020, 16:31

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Liebe Leute, ich war wirklich neugierig auf neue Sendung „No Body is perfect” auf Sat.1. Eigentlich vermeide ich es, Erwartungen zu haben – aber in diesem Fall war ich wirklich gespannt. Wie wird ein Mainstream-Format das psychologisch anspruchsvolle Thema „Bodypositivity” umsetzen? Meine Befürchtung war: In der Show wird einfach nur der Voyeurismus der Zuschauer bedient. Meine Hoffnung war: Es geschieht ein kleines Wunder und das Massenpublikum wird auf einfühlsame Weise für eine sehr wichtige Problematik sensibilisiert. Und vorab kann ich schon mal sagen: Ich war mehr als positiv überrascht.

Die erste Folge ging mir nah

Der Gatte und ich haben uns auf der Couch eine ordentliche Portion Selbstliebe abgeholt. Und das im Privatfernsehen – Wahnsinn! Die erste Folge ging mir nah, weil sie glaubwürdig die Geschichten echter Menschen erzählt hat. Wie es sich anfühlt und wie anstrengend es ist, seinen Körper zu hassen. Stellenweise wurde es wirklich emotional, ohne, dass allzu plump auf die Tränendrüse gedrückt wurde.

Gestern kamen drei Kandidaten, Patrick, Stephanie und Tatjana, mehr oder weniger ahnungslos in das Selbstliebe-Camp und saßen dort – selbst noch bekleidet – ohne weitere Vorbereitung vier nackten TV-Coaches mit Körpern von nebenan gegenüber. Cellulite, hängende Brüste, dicke Bäuche samt Dehnungsstreifen, ausladenden Hintern, Winkeärmchen – die Coaches um Moderatorin Paula Lambert bringen wirklich alles mit, was im Fernsehen vermeintlich alle stört. Aber, oh Wunder: Sie alle waren auf ihre Weise wunderschön und positiv. Ihre nackten Körper wurden mit schillernden Bodypaintings in Szene gesetzt. Man hat also alles und nichts gesehen, kein Körper wurde vorgeführt oder entblößt.

„Die Sehgewohnheiten müssen anders werden”

Wer jetzt denkt, dass es doch ekelhaft und obszön ist, sich nackt und vielleicht auch etwas unvorteilhaft, wie zum Beispiel beim Seilspringen oder Trampolin hüpfen, in aller Öffentlichkeit zu präsentieren – der hat in den noch kommenden drei Folgen von „No body is perfect” (immer montags 20.15 Uhr) die Gelegenheit, ein bisschen an seinem Blickwinkel zu feilen und zu verstehen, dass bestimmte Körpermaße uns nicht zum besseren oder schlechteren Menschen machen. Coachin und Fotografin Silvana Denker hat es in der ersten Folge supertreffend auf den Punkt gebracht: „Die Sehgewohnheiten der Menschen müssen geändert werden.“

Jeder fünfte Deutsche hat ein Problem mit seinem Spiegelbild. So auch die drei Teilnehmer. Zu Beginn des Nackt-Experiments verspürten sie kaum Liebe für sich selbst und schämten sich für ihr Aussehen. Es fehlte ihnen einfach ein gesunder Blickwinkel – und die Ermutigung, Komplimente annehmen zu dürfen. Teilnehmer Patrick zum Beispiel ist übersät mit Narben, die ihm nach überstandener Krebserkrankung geblieben sind. Coach Daniel Schneider, männliches Curvy Model, brachte Patricks Gedanken behutsam in die Richtung, dass diese Narben Zeugen und Beweis für seinen Kampfgeist und Stärke sind. 

Ergreifend, wenn sich das Selbstbild ändert

Die 47-jährige Ehefrau und Mutter Stephanie, die schon ewig mit Lipödem, Übergewicht und Dehnungsstreifen kämpft, hatte zunächst arge Schwierigkeiten, Paula Lamberts Komplimenten über ihr Äußeres Glauben zu schenken. Doch Paula sieht an vermeintlichen „Makeln” vorbei und erkennt in Stephanie eine schöne, starke Frau mit einem tollen Körper, der Wunder vollbracht und ein gesundes Kind auf die Welt gebracht hat. Ein ergreifender Moment, als sich auch bei Stephanie selbst der Blickwinkel ändert.

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Am schwersten hatte es in Folge eins aber wohl die 20-jährige Tatjana. Sie findet ihr Spiegelbild einfach nur hässlich, fühlt sich überall zu dick und geht seit vier Jahren nicht mehr in der Öffentlichkeit baden. Was soll an mir denn bitte schön sein, ist die bittere Frage, die sie unausgesprochen mit in die Sendung bringt. Fast unglaublich, wenn man sie so sieht. Tatjana ist ein hübsches Mädchen, da waren der Gatte und ich uns sofort einig und bestimmt hat auch die große Mehrheit der TV-Zuschauer so gedacht. Was muss die junge Frau erlebt haben, was so ein vernichtendes Körpergefühl ausgelöst hat? Sie erzählt vom Vertrauensbruch seitens ihres Partners, der ihr offen gesagt hatte, dass er sie zu dick findet. Von immensem Druck und hohen Erwartungen, denen sie auf Dauer nicht gewachsen war.

Übergewicht als Selbstbestrafung

Konsequenzen gezogen hat sie nicht: Ihrem Partner hat sie verziehen und in ihrem Umfeld hat sie weiter funktioniert. Paula Lambert sieht sofort, welches zerstörerische Muster zugrunde liegt: „Menschen mit deiner Disposition – also mit deinem Verhaltensmuster, neigen dazu, sich selbst für alles die Schuld zu geben.“ Sich nicht anzunehmen, sich nicht schön zu finden und auch, sich mit Übergewicht zu belasten, ist für die Betroffenen eine Art Selbstbestrafung.

Es ist klar, dass die drei Teilnehmer nicht innerhalb von vier Tagen von ihrem Selbsthass erlöst werden können. Ein Fotoshooting, eine Shoppingtour und 20 Minuten in den Spiegel schauen vertreiben nicht mal eben so alle Ängste und Selbstzweifel. Auch Coachin Sandra Wurster betonte, dass dieses Nackt-Experiment keine Therapie ersetzen kann und soll. Aber es soll einen Anstoß geben, sich mit sich selbst und seinen Denkweisen auseinander zu setzen. Und Fakt ist: Am Ende der Sendung standen zwei von drei Teilnehmern komplett nackt am Strand von Mykonos und haben sich verletzlich und gleichzeitig unglaublich stark vor einem Millionenpublikum gezeigt.

Inspirierend, oder?

Eure Swantje

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