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Verhandlung zum Handtaschenraub geplatzt

Angeklagter ist spurlos verschwunden

Neubrandenburg / Lesedauer: 3 min

Jetzt dauert alles noch länger. Ein mutmaßlicher Handtaschenräuber schwänzt vier Jahre nach den Taten seinen Gerichtsprozess und erscheint nicht zum Termin. Dem Vertreter der Nebenklägerin platzt deshalb der Kragen.
Veröffentlicht:11.05.2020, 12:40

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Außer Spesen wieder nichts gewesen. Ein 30-jähriger Angeklagter, der von der Staatsanwaltschaft des mehrfachen Raubes angeklagt wird, hat es vorgezogen, nicht zu seiner Verhandlung zu erscheinen. Die Vorsitzende Richterin am Neubrandenburger Amtsgericht, Tanja Krüske, musste die Verhandlung beenden, bevor es richtig losgehen konnte.

Der unentschuldigt fehlende Mann soll im Frühling vor vier Jahren in Neubrandenburg mehrere ältere Damen überfallen und ihnen die Handtaschen geraubt haben. Eine heute 84 Jahre alte Neubrandenburgerin wurde dabei schwer verletzt. Die Seniorin, die wochenlang wegen mehrerer Brüche im Klinikum behandelt werden musste, tritt als Nebenklägerin vor Gericht auf. Ihr juristischer Beistand, Rechtsanwalt Horst Förster, verlangte vom Gericht, Haftbefehl gegen den abwesenden Angeklagten zu erlassen. Denn die Wahrscheinlichkeit des pünktlichen Erscheinens des Angeklagten sei doch von vornherein nur sehr gering gewesen, so der Vertreter der Nebenklägerin.

Post an den Angeklagten kommt regelmäßig zurück

Noch nicht einmal der Verteidiger des 30-jährigen spurlos verschwundenen Angeklagten konnte sagen, wo sich sein Mandant gegenwärtig aufhält. Von der letzten bekannten Adresse in Stralsund käme regelmäßig Post wieder zurück, weil eine Zustellung nicht möglich sei, hieß es.

Rechtsanwalt Stefan Tabbert sagte nach dem schnellen Ende des Gerichtstermins, er habe auch schon seit Monaten nichts von seinem Mandanten gehört.

Allerdings verwies er das Ansinnen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklage, Haftbefehl wegen dringenden Tatverdachts und Fluchtgefahr zu erlassen, zurück. Schließlich habe die Staatsanwaltschaft selbst, so Rechtsanwalt Tabbert, in der Vergangenheit schon zweimal die Ermittlungen gegen den Angeklagten wegen zu geringen Tatverdachts eingestellt.

Erst als der Vertreter der Nebenklage, Rechtsanwalt Förster, deshalb eine Dienstaufsichtsbeschwerde zu Lasten der Neubrandenburger Staatsanwaltschaft einreichte, haben die Ermittlungen wieder Fahrt aufgenommen.

DNA-Spur führte zum polizeibekannten Mann

Bei der Fahndung nach dem Täter kam den Ermittlern Kommissar Zufall zur Hilfe. Kinder fanden in einem Gebüsch eine Handtasche und gaben die bei der Polizei ab. Die konnte den Inhalt einem Handtaschenraub zuordnen und an der Tasche gesicherte DNA führte die Polizei auf die Spur der polizeibekannten jungen Mannes. Der hatte bislang aber alles abgestritten und in der Vernehmung bei der Polizei angegeben, die Handtasche gefunden, durchsucht und wieder weggeworfen zu haben.

Die Masche bei den Überfällen war immer die gleiche: Der junge Mann verschaffte sich Zutritt zu den Wohnhäusern der Seniorinnen, bot den Frauen Hilfe an, etwa beim Hochtragen des Einkaufskorbes, und entriss seinen Opfern dann unvermittelt die Handtaschen. Die Folgen: Ganz viel Angst und Schrecken und zerrüttete Nervenkostüme.

Die Entscheidung über einen möglichen Haftbefehl hat das Gericht am Montag vertagt. Richterin Tanja Krüske ließ aber durchblicken, dem gegenüber nicht abgeneigt zu sein. Ein neuer Termin wird bekannt gegeben, wenn die Justiz dem Prozess-Schwänzer auf die Spur gekommen ist.