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EU-Leader-Programme

Wie eine gute Idee gefördert wird

Waren / Lesedauer: 4 min

Mit dem Begriff Leader können wohl nicht allzu viele Menschen etwas anfangen. Dabei steht er für eine besondere EU-Förderung. Eine, die nicht von „oben“ vergeben wird, sondern von Menschen von hier.
Veröffentlicht:25.04.2019, 21:15

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Wenn Dagmar Wilisch unterwegs ist, dann hat sie eine besondere, eine ganz eigene Landkarte im Kopf. In jeder Stadt der Müritzregion und in fast jedem Dorf gibt es besondere Punkte, die sie mit ihrer Arbeit verbindet.

Die Bühne in der Konzertscheune in Ulrichshusen zum Beispiel, auf der einst – bis heute unvergessen und damals eine Sensation – Yehudi Menhuin ein Konzert gab. Und das Slawendorf in Passentin, vor Jahren ein Leuchtturm. Oder das Wohngebäude in Malchow, in dem demenzkranke Menschen Wohnungen mieten und in Wohngruppe leben können – vor Jahren ein Novum, und heute noch beispielgebend. Und wohl jeder hat schon die Wegweiser zum Radwegenetz oder die Infotafeln in den Dörfern zur Geschichte und Gegenwart gesehen. Dies alles sind Beispiele, die mit EU-Geldern entstanden sind, die Menschen von hier an Menschen von hier vergeben haben und immer noch vergeben.

Seit fast einen Vierteljahrhundert ist Dagmar Wilisch Regionalmanagerin der Leader-Aktionsgruppe Seenplatte-Müritz – ein Gremium, das darüber entscheidet, wer und in welcher Höhe EU-Gelder zur Förderung des ländlichen Raumes bekommt. Keine Landesregierung entscheidet über die Vergabe der Leader-Mittel, keine Bundesregierung, auch nicht das EU-Parlament, sondern die Aktionsgruppe vor Ort.

Leader ist eine Abkürzung für einen umständlichen Begriff: „Liaison Entre Actions de Développement de l‘Économie Rurale“ (französisch für „Verbindung zwischen Aktionen zur Entwicklung der ländlichen Wirtschaft“) und soll die Menschen vor Ort dabei unterstützen, ihre Region, ihre Heimat zu entwickeln. Leader ist daher auch ein mittlerweile nicht mehr ganz neuer methodischer Ansatz, um ländliche Regionen in Europa nach vorne zu bringen, in dem die Menschen selbst entscheiden, was förderwürdig ist.

In Mecklenburg-Vorpommern gibt es 14 verschiedene Leader-Aktionsgruppen. „Jede hat eine eigene Strategie. Es gibt Richtlinien, nach denen die Gelder vergeben werden, aber keine Vorgaben. Wir sind keine klassische Behörde“, macht sie deutlich. Vertreter von Ämtern und Verwaltungen sind Mitglieder in der Leader-Gruppe, aber auch Vertreter von Landfrauen- oder Bauernverbänden, von der IHK, vom Tourismusverband, es gibt Unternehmer und Handwerker. Keine Gruppe darf mehr als 49 Prozent Stimmanteile haben, damit „sichergestellt ist, das niemand bevorzugt werden kann“, sagt Dagmar Wilisch.

Jeder, der eine gute Idee hat – ob nun Gemeinden oder Privatunternehmer – könne sich mit einem Projekt an die Aktionsgruppe wenden. „Wir schauen uns die Projekte genau an, wir reden mit den Antragstellern, sehen uns Dinge vor Ort an“, erklärt die Regionalmanagerin. Jedes Mitglied bewertet für sich ein Projekt – aus diesen Bewertungen wird ein Mittelwert errechnet, so dass sich eine Prioritätenliste entwickelt. Wer ganz oben steht, also mit seiner Idee bei den Mitgliedern punkten konnte, hat gute Chancen und Aussicht auf Förderung seiner Idee – oft mit bis zu 90 Prozent, meist aber mit bis zu 75 Prozent. „Ziel ist es auch, so Erfolgs- und Modellprojekte zu entwickeln, die anderenorts, in anderen Leader-Regionen ebenfalls Schule machen können“, sagt Dagmar Wilisch.

Insgesamt wurden über das Leader-Programm in der Region bislang rund 16 Millionen Euro Fördermittel ausgereicht, davon in der laufenden Förderperiode rund 6,1 Millionen Euro.

Die Europäische Akademie Waren und der Nordkurier laden am Freitag gemeinsam zu einer Podiumsdiskussion zum Thema Europa ein. Dabei stehen zwei auskunftskräftige und erfahrene Gesprächspartner zur Verfügung: Reinhard Bütikofer, Vorsitzender der Europäischen Grünen Partei, und Helmut Scholz, der über die Liste der Linken in das Europaparlament gewählt wurde. Moderiert wird die Veranstaltung, die um 16.30 Uhr im Warener Haus des Gastes beginnt, vom Politikwissenschaftler Professor Eckart Stratenschulte, Geschäftsführender Vorstand der Deutschen Nationalstiftung. Der Autor mehrerer Bücher über europäische Politik wird auch in das Thema einführen.