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Mysteriöse Grabkreuze

Streit um Angelverbot im Müritz-Nationalpark

Ankershagen / Lesedauer: 4 min

Auf dem Wittsee darf nicht mehr geangelt werden. Der Grund: Naturschäden. Das wollen die Angler aber nicht einfach so hinnehmen.
Veröffentlicht:06.05.2020, 13:47

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Seit dem Frühjahr gab der Wittsee im Müritz-Nationalpark nahe Ankershagen ein seltsames Bild ab. Knapp eine Handvoll Kreuze aus Ruderboot-Riemen ragten beinahe mystisch aus dem niedrigen Gewässerrand. An jener Stelle, an dem zuvor elf Bootsschuppen des Ankershagener Angelvereines standen. Doch seit Dezember 2019 darf in dem See niemand mehr eine Angelrute auswerfen – auch nicht die Ankershagener Angler.

Ein seit 2008 bestehender Pachtvertrag mit dem Landesanglerverband (LAV) MV wurde von Seite des Bundes nicht verlängert. Wollten die vergrämten Angler nun mit den Grabkreuzen ein Zeichen ihrer Enttäuschung setzen? Der Ankershagener Vereinsvorsitzende Harald Harwatta verneint vehement. Keiner seiner 120 Vereinsmitglieder habe daran einen Anteil, dementiert er diese Aktion.

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Selbst der LAV legt seine Hand für die Ankershagener ins Feuer und versichert, dass der Verein trotz der schwierigen Umstände nichts mit all dem zu tun habe. Inzwischen haben die Freizeitangler die Kreuze entfernt – „obwohl wir dafür in keiner Weise verantwortlich sind“, stellt Harwatta klar.

Zu hoher Fischbesatz mit nicht-typischen Arten

Die Ankershagener möchten den Wittsee gern weiterhin bewirtschaften. Als das scheiterte, war die Enttäuschung groß. Hilfegesuche politischer Natur, etwa an MV-Landwirtschaftsminister Till Backhaus (SPD) oder Bundestagsmitglied Eckhardt Rehberg (CDU), blieben vom Verhandlungspartner – der Bundesforst Vorpommern-Strelitz und der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bima) unerhört. „Wir kämpfen weiter um den See. Eine bessere Gegend finden wir nicht“, verweist Harwatta auf anwaltliche Unterstützung, die er sich herangezogen hat. Denn der Anglerverein fühlt sich in seinen Interessen unberücksichtigt, übergangen und letztlich mit unrechtmäßigen Vorwürfen konfrontiert.

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Wurde das Angeln im Wittsee verboten, weil in der Vergangenheit zu viele naturschutzfachliche Fehler gemacht worden sind? Bima-Sprecher Thorsten Grützner benennt gleich mehrere Dinge, die gegen eine Verlängerung des Pachtvertrages sprachen. So weise die Vegetation am Wittsee auf Nährstoffeinträge hin. Das deute auf ein regelmäßiges Anfüttern hin. In der Kritik steht beim Bund auch ein zu hoher Fischbesatz, insbesondere mit nicht-typischen Arten. Um welche Fischarten es sich genau handelt, beantwortete die Behörde trotz mehrfacher Nachfrage nicht.

Der Fischbesatz, sagt Angler Harald Harwatta, sei ausschließlich nach Weisung des LAV erfolgt. Und selbst die Bima kann die Schuld einzig dem Angelverein geben. Keiner kann ausschließen, dass sich die Anzahl an Fischen nicht auch durch Vermehrung so entwickelt hat. Letztlich, schreibt Grützner, ist das Wer und Warum „unerheblich“. „Beides lässt sich nur durch Angelnutzung erklären, sei sie nun legal oder illegal“, formuliert er.

Legal war am Wittsee nicht nur das Angeln der Ankershagener. Mit Fischereischein oder Angelkarte konnten dort Angler aus anderen Regionen fischen, wenn deren Vereine beim Landesangler- oder Deutschen Angelfischerverband organisiert waren. Hinzu kommen Touristen, heimische Wanderer und Pilzsucher, die sich ebenfalls am Gewässer aufhalten können. Dadurch könnten auch so manche festgestellten Schäden an Pflanzen im Uferbereich durch unerlaubtes Betreten entstanden sein.

Natur soll sich ohne Nutzung entwickeln

Ausdrücklich verweist die Bima darauf, dass sie im LAV keinen Schuldigen sieht. Auf der anderen Seite finden sich gleich mehrere Gründe, die den Angelfreunden eine Mitverantwortung am Verbot zu geben scheint. Etwa beim Anfüttern. Harald Harwatta kennt das Problem – so, wie jeder im Verein. „Wir haben den See regelmäßig kontrolliert, aber niemanden in flagranti erwischt“, versichert der Vereinsvorsitzende, der auch um die Vorwürfe illegalen Angeln in gesperrten Seebereichen aufgrund einer Torfkuhle weiß. Spuren von Trampelpfaden und Stehflächen hätten sich in der Vergangenheit gefunden. Nicht aber von den Ankershagenern, beteuert er. „Wir wissen, was dort erlaubt ist“, so Harwatta. Doch eine 24-Stunden-Kontrolle sei eben nicht möglich. Dass er und seine Petrijünger verantwortungsvoll mit dem Gewässer umgehen, wollten sie demonstrieren und schlugen vor, das Gewässer nur durch Ankershagener Vereinsmitglieder bewirtschaften zu lassen. Doch auch diese Idee wurde abgelehnt.

Die Beeinträchtigungen am Wittsee und der erforderliche Naturschutz könnte nur ohne Angler gewährleistet werden, sagt Thorsten Grützner. Zudem gelten für den See als Nationales Naturerbe Ziele, die in einem Entwicklungsplan festgelegt sind. Danach solle sich die Natur in dem Gebiet ungestört entwickeln – ohne jedwede Nutzung. Der LAV MV „war in keinster Weise in diesen Prozess eingebunden“, heißt es von LAV-Mitglied Mario Voigt. Eine befremdliche Verfahrensweise, wo der LAV in der Vergangenheit als zahlreiche Stellungnahmen als anerkannter Naturschutzverband zum Schutz des Müritz-Nationalpark dem Nationalparkamt zugearbeitet hat.