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Milzbrand-Affäre

Pfarrer lädt nach Anthrax-Alarm zum Sorgen-Gespräch

Zislow / Lesedauer: 3 min

Nachdem der Zislower Bürgermeister einen Drohbrief bekommen hatte, wurde der Ort abgeriegelt. Wegen der Extremsituation bot der Pfarrer nun ein Seelsorgegespräch fürs ganze Dorf an.
Veröffentlicht:09.02.2019, 20:21

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Ein ganzes Dorf bekommt seelsorgerische Betreuung: Zwei Tage nachdem der Bürgermeister Uwe Albrecht einen Brief mit verdächtigem weißem Pulver erhielt, das sich als harmlos herausstellte, wandelte sich das Heimathaus in eine Gesprächsbühne. Der Pastor der Kirchgemeinde Grüssow-Satow-Stuer, Burkhard Müller-Ludwig, lud zu einem Gespräch. Eine besondere Veranstaltung, die sich klar an die Einwohner des Ortes richtete. Öffentlichkeit unerwünscht. Auch vor Ort filmende Kamerateams mussten vor der Tür warten.

Die Zislower sollten hinter den Fachwerkmauern des Hauses die Möglichkeit erhalten, offen über ihre Ängste, Sorgen und Befürchtungen zu sprechen. Das Angebot sei ein überaus wichtiges, beteuerte Müller-Ludwig. „Die Aktion mit dem Brief war für alle ein großer Moment der Hilflosigkeit”, begründete er sein freiwilliges Angebot. Seelsorge für ein gesamtes Dorf – oder zumindest für diejenigen, die wollten – schätzte er damit als überaus bedeutungsvoll ein.

Gedrückte Stimmung in Zislow

Überschrieben war die Einladung des Pastors mit der Überschrift „erschüttert, betroffen”. Und diese Betroffen-, aber auch Unsicherheit ist den Anwohnern selbstredend auch zwei Tage nach dem geschmacklosen Scherz gegen den erst im August gewählten Bürgermeister Uwe Albrecht anzumerken. Die Stimmung vor dem Heimathaus wirkte gedrückt. Den zurückliegenden Donnerstag, als der anonyme Brief in Albrechts privatem Briefkasten lag, werden viele Zislower nicht so schnell vergessen. Als sich die Meldung über einen möglichen Anthrax-Anschlag verbreitete, schweiften die Gedanken sofort zum Bürgermeister und dessen Familie. Rund 15 Stunden galten er und 17 weitere Personen als kontaminiert mit Milzbranderregern, bevor offizielle Untersuchungsergebnisse den Stoff als nicht biologisch und somit ungefährlich einstuften.

Zu Spitzenzeiten rückten 112 Einsatzkräfte in den Ort vor. Zislow – ein Kriegsschauplatz: Diesen Eindruck hatten einige Einwohner, wie sie nun offen bestätigten. Die Polizei riegelte den Erholungsort am Donnerstagabend komplett ab. Bis zum frühen Freitagmorgen kam niemand herein noch heraus. Szenen wie in Krieg oder in einem Katastrophenfilm, erzählte eine immer noch schockierte Anwohnerin, die am Samstag im Heimathaus das Gespräch suchte.

Sie war eine von ungefähr 30 Teilnehmern. Findet seelsorgeriche Betreuung durch den Pastor meist einzeln statt, sprach man am Samstag in der Gruppe. Müller-Ludwig war zwar auch am Donnerstagabend vor Ort, „da kam ich aber an viele Leute gar nicht heran”, reagierte er auf Nachfrage. Schließlich hatten die Rettungskräfte Zislower angewiesen, in ihren Häusern zu bleiben. Und auch an die als kontaminiert geltenden Personen war an jenem Abend kein Herankommen.

Schlaflose Nächte nach Milzbrand-Alarm

Die Attacke hat den Tourismusort merklich erschüttert. Gemüter liegen blank. Die Köpfe rätseln nach dem Warum. Einige Anwohner, die ihren Namen nicht öffentlich nennen möchten, sprachen von schlaflosen Nächten seit der Aktion. Andere, so erzählte es eine Frau, blieben ganz und gar in den eigenen vier Wänden, wo man sich am sichersten fühle. „Im Dorf lebte es sich einmal ganz friedlich”, meinte eine andere Dame, sichtlich unsicher und eingeschüchtert über die Vorkommnisse der letzten Tage.

Der Zislower Bürgermeister selbst war zu diesem Samstagstermin nicht anwesend. Der Pastor soll mit ihm schon am Freitag Gespräche geführt haben. Auf das, was in dem großen Stuhlkreis am Sonnabend besprochen wurde, geht der Pastor nicht ein. Und auch, inwieweit und ob weitere seelsorgerische Betreuung möglich ist, stehe derzeit noch offen.