StartseiteRegionalMecklenburgische SchweizViren programmiert als Schleuser für Medikament

Zelltherapie aus Teterow im Kampf gegen Krebs

Viren programmiert als Schleuser für Medikament

Teterow / Lesedauer: 3 min

Über dem Firmengebäude von Miltenyi Biotec am Bocksbergweg drehen sich die Baukräne. Das Unternehmen baut den Standort massiv aus. Der Grund: Für die hier entwickelte Zelltherapie wächst die Nachfrage weltweit rasant.
Veröffentlicht:31.08.2019, 17:08

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Zehntausende in aller Welt richten ihren Blick hoffnungsvoll auf Teterow. Hier ist der Firma Miltenyi Biotec ein Durchbruch in der personalisierten Krebstherapie gelungen. Im Gegensatz zu den konventionellen Behandlungsmethoden, die mit Strahlen, chemischen Substanzen oder dem Skalpell recht grobe und unspezifische Geschütze gegen den Tumor auffahren, wird hier ein ganz anderer Ansatz verfolgt. Das Immunsystem des Patienten wird gegen den Krebs ertüchtigt. Dazu bedarf es einer gezielten Nachhilfe. Denn die Tücke einer Krebserkrankung besteht ja gerade darin, dass das Immunsystem die Fehlbildung, die zur Wucherung der Zellen führt, nicht erkennt und sie deshalb auch nicht bekämpfen kann. Doch der Mensch kann ihm da auf die Sprünge helfen. Über ein Virus wird genetisch verändertes Material in die Körperzellen eingeschleust. Dieses programmiert die sogenannten T-Zellen um, sodass sie in die Lage versetzt sind, Tumorzellen zu erkennen. Die so modifizierten Zellen werden über einige Tage kultiviert und sodann dem Körper wieder zugeführt. Dort gehen sie dann ans Werk und zerstören den Tumor.

Die Zukunft gehört der personalisierten Therapie

Das ist keine Zukunftsmusik, sondern Stand der Heilkunst. In den USA wurde die so genannte CAR T-Zellen Therapie vor zwei Jahren zugelassen, in Europa im vergangenen Herbst. Die Grundkomponenten für dieses Verfahren entwickelte und produziert Miltenyi Biotec. Derzeit ist die Firma mit Stammsitz in Bergisch-Gladbach Weltmarktführer auf diesem Gebiet, wie Dr. Bernd Schröder dem Bundestagsabgeordneten Eckhardt Rehberg (CDU) bei einem Besuch des Betriebs versicherte. Aus Sicht der Wissenschaftler ist ein Ende der klassischen Krebstherapie absehbar. „Die großen Pharmakonzerne wie Bayer, Scheringer, Hoechst waren gestern. Die Zukunft gehört der personalisierten Therapie“, ist Dr. Schröder überzeugt. Derzeit konzentriere man sich auf Blutkrebserkrankungen, doch im Prinzip ließen sich auch viele andere Fehlfunktionen auf der Basis veränderter Zellen therapieren. Geforscht werde beispielsweise daran, Hautzellen so zu modifizieren, dass sie Insulin produzieren und damit Diabetikern das Spritzen der Substanz erlassen.

Neue Produktionsstätte auf 3000 Quadratmetern

Dass die Weichen längst in Richtung Zukunft gestellt sind, erläuterte Torsten Raths anhand der Erweiterung des Betriebs in Teterow. Derzeit entsteht ein Fertigwarenlager auf 6000 Quadratmetern. Dazu kommen 1400 Quadratmeter Labor- und Büroräume. 20 Millionen Euro investiert Miltenyi dafür. In die Umrüstung des angekauften vormaligen Biomedizintechnikums werden weitere drei bis vier Millionen Euro investiert. In den Jahren 2020/21 soll auf 3000 Quadratmetern eine neue Produktionsstätte entstehen.

Doch nicht der Bau neuer Gebäude ist das Problem, die Infrastruktur im ländlichen Raum muss stimmen, damit entsprechend qualifizierte Mitarbeiter gewonnen werden können. Von 280 im Jahre 2016 hat sich die Zahl der Beschäftigten mittlerweile auf 400 erhöht. Derzeit werden 60 freie Stellen angeboten. „In drei Jahren werden wir die Marke von 600 Beschäftigten in Teterow knacken“, zeigt sich Dr. Bernd Schröder zuversichtlich.