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Südamerikanische Einwanderer

Seltsame Vögel fühlen sich im Nordosten heimisch

Mecklenburg-Vorpommern / Lesedauer: 3 min

Wer die Laufvögel in freier Wildbahn beobachten will, kann sich das Flugticket nach Südamerika sparen. In Deutschlands Norden haben sich über 100 wild lebende Tiere angesiedelt. Die riesigen Vögel haben hier aber nicht nur Freunde.
Veröffentlicht:07.04.2015, 17:09
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Seltsame große, graue Vögel mit langem Hals und langen Beinen staksen über die Felder der sanfthügeligen norddeutschen Landschaft. Im Grenzgebiet von Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein steht Frank Philipp auf einem Hügel, das Fernglas vor Augen, und zählt: „Ein Hahn, sechs Hennen.“ Der Umweltplaner trägt die Tiere in eine Karte ein. Er ist im Auftrag des Schweriner Umweltministeriums unterwegs. Philipp zählt Nandus, wild lebende Nandus. Ihre Heimat ist die südamerikanische Pampa, doch seit einigen Jahren breiten sie sich in Norddeutschland aus.

Die Langbeiner sind flugunfähig

Rund 120 Tiere haben Philipp und seine Mitstreiter bei der Frühjahrszählung im etwa 100 Quadratkilometer großen Verbreitungsgebiet östlich des Ratzeburger Sees ausfindig gemacht. Die flugunfähigen Laufvögel mit dem lateinischen Namen Rhea americana zu entdecken, ist nicht schwer. Sie lieben die offene Landschaft und sind wenig scheu, sagt Philipp, steigt in den Geländewagen und fährt über Feldwege zu seinem nächsten Beobachtungsposten. Von dort überblickt er ein renaturiertes Moor, auf dessen weiten Wiesen Rinder grasen. Zwischen ihnen zupfen Nandus am frischen Grün. „So ungefähr sieht es in Südamerika aus“, erzählt er. Dort seien die Nandus allerdings vom Aussterben bedroht.

Die wilden Laufvögel sind einst in Lübeck entflohen

In Deutschland halten Liebhaber die leicht zu zähmenden Nandus zur Freude. Doch immer wieder büxen Tiere aus privaten Gehegen aus. Auf wenige Exemplare aus einer Haltung bei Lübeck, denen von den 90er Jahren bis zur Schließung des Geheges 2008 die Flucht gelang, soll die wilde Population von Nordwestmecklenburg zurückgehen. Laut Schweriner Umweltministerium ist es die einzige bekannte Population in Mitteleuropa, die sich nach Ausbrüchen aus Gehegen etablieren konnte.

Bei Spaziergängern rufen die bis zu 1,40 Meter großen Nandus Staunen hervor, bei Landwirten Ärger. Die Geschäftsführerin des Kreisbauernverbandes Nordwestmecklenburg, Petra Böttcher, sieht in der massiven Ausbreitung der flugunfähigen Laufvögel ein wachsendes Problem. „Sie beißen gerne die Rapsblüten ab und zertreten sie auch“, sagt sie. Wo viele Nandus seien, entstehe großer Schaden. Die Bauern fordern, die Population reduzieren zu dürfen, wenn sie überhandnimmt. Außerdem sollten die Tiere in den Katalog der Wildschadenskasse aufgenommen werden. „Wenn Wildschweine das Feld umwühlen, kann ein Landwirt Schadenersatz bekommen“, sagt Böttcher. Bei Schäden durch Nandus gebe es nichts. Wissenschaftler Philipp kann den Ärger nicht nachvollziehen. Die Schäden seien gering, sagt er. „40  Nandus fressen so viel wie eine Kuh.“