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Verschwendung

MV landet acht Mal im Schwarzbuch der Steuerzahler

Schwerin / Lesedauer: 6 min

Der Bund der Steuerzahler zählt auf: Neubrandenburgs Eiche, der Vorpommern-Fonds, die Schweriner Schlossgastronomie und städtisches Luxuswasser sind nur einige Beispiele für Steuerverschwendung in MV.
Veröffentlicht:27.10.2020, 17:06

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Bundesweit 100 Fälle von Steuerverschwendung listet das diesjährige gedruckte Schwarzbuch des Bundes der Steuerzahler (BdSt) auf, das am Dienstag veröffentlicht worden ist. Fünf davon kommen aus Mecklenburg-Vorpommern – drei weitere hat der BdSt auf seiner Homepage veröffentlicht.

Viel Geld für Luxus-Wasser

Im Fokus stehe in diesem Jahr die Staatswirtschaft, teilte der Bund der Steuerzahler MV in Schwerin mit. Er kritisiert zum Beispiel das gescheiterte Luxus-Mineralwasser-Projekt „Minus 181” in Parchim. Der Liter kostet rund 20 Euro und ist nicht im Einzelhandel, sondern nur in gastronomischen Partnereinrichtungen erhältlich.

Bis Ende 2018 hatte das Unternehmen Verluste in Höhe von 651.000 Euro erwirtschaftet. An der inzwischen liquidierten GmbH sei die Stadt über die städtischen Wasserwerke sowie einem Anteil beteiligt gewesen. Diesen Anteil in Höhe von 24.000 Euro habe Parchim bereits verloren.

Der Geschäftsführer der Parchimer Stadtwerke, der bis zur Liquidation auch der Geschäftsführer der „Minus 181 GmbH“ war, sagte dem Bund der Steuerzahler, dass man aber weiter auf der Suche nach Investoren sei, zurzeit gebe es noch einen Interessenten.

Steuergelder für Schweriner Schlossgastronomie

Kritisch sieht die Organisation auch, dass der Landtag die Schweriner Schlossgastronomie (Restaurant, Schlosscafé und Kantine) nach jahrelangen Problemen privater Betreiber zuletzt selbst übernommen und eine Anschubfinanzierung aus Steuergeldern von über 400.000 Euro gewährt hat.

„Damit den Abgeordneten während der Sitzung nicht der Magen knurrt und royale Gäste wie etwa das niederländische Königspaar im Jahr 2019 mit einem erstklassigen Menü verwöhnt werden”, schreibt dazu der Steuerzahlerbund. „Hier wird auf Kosten der Steuerzahler ein staatliches Angebot gemacht, das in private Hand gehört”, so die Kritik.

Ein Ballfangzaun den keiner will

Ebenfalls in Schwerin kritisiert die Organisation den Bau eines 130 Meter langen und mehr als 90.000 Euro teuren massiven Ballfangzauns an einem Sportplatz des Neumühler Sportvereins. Anwohner hätten sich eigentlich einen Lärmschutz gewünscht, denn zehn Mannschaften im Punktspielbetrieb und zwei weitere Mannschaften teilen sich den Platz.

Der feste Zaun (statt der um die Hälfte preiswerteren Alternative eines Netzes) löst das Problem mit dem Lärm natürlich nicht und irritiert selbst den Verein: „Wir wurden erst kurz vor Baubeginn überhaupt in Kenntnis gesetzt.“

Der berühmteste Baum Neubrandenburgs

Über die 100.000 Euro teure Eiche an der Umgehungsstraße von Neubrandenburg, die als Ersatz für eine zuvor gefällte Eiche gepflanzt worden ist, hat der Nordkurier immer wieder berichtet.

Auch dem BdSt ist dieser Baum nicht entgangen. Er kritisiert, dass die unterlassene frühzeitige Sicherung der alten Eiche zu erheblichen Kosten geführt hat. Hinzu kommt, dass man weit über die gesetzlichen Regelungen hinausgegangen ist.

Für einen seltenen Baum, der gefällt wird, müssen drei neue gepflanzt werden. Dass der 35 Jahre alte und acht Meter hohe neue Baum samt Pflege, wozu auch Personalkosten gerechnet werden, in den nächsten sieben Jahren einen sechsstelligen Betrag kosten wird, sei schlicht unangemessen.

Umstrittene Filmförderung

Der Vorpommern-Fonds ist mit gleich zwei Fällen ins Visier der Steuerverschwendungswächter geraten*. Mit diesem wurden nämlich 7500 Euro für den Abschlussfilm „Alle reden übers Wetter” gefördert, der Krackow in Vorpommern als Drehkulisse hat. Daran problematisch ist, dass der Vorpommern-Fonds nur in Anspruch genommen werden sollte, wenn es keine anderen Fördermöglichkeiten gibt oder diese nur ungenügend sind.

Doch die etablierte kulturelle und wirtschaftliche Filmförderung von Mecklenburg Vorpommern wurde offenbar nicht ins Auge gefasst. Warum? Staatssekretär Patrick Dahlemann beruft sich laut BdSt auf die mündliche Aussage der Filmförderung, dass Abschlussfilme nicht förderfähig seien. Sie sind es aber, wie Beispiele aus der Vergangenheit zeigen.

Softeismaschine in Christiansberg

Auch 15.000 Euro für eine 20.000 Euro teure Softeismaschine im botanischen Garten in Christiansberg (ein Ortsteil von Luckow) stammen aus dem Vorpommern-Fonds. „Mit dieser Maßnahme wird die touristische Entwicklung gestärkt und werden die damit einhergehenden wirtschaftlichen Chancen im Süden Vorpommerns verbessert," begründet Dahlemanns Büro die Förderung. Und „weit und breit” gebe es im Umfeld keine ähnlichen gastronomischen Angebote. Indes wundert sich eine Gastronomin in Luckow, die ebenfalls Softeis verkauft, dass man solche Maschinen überhaupt fördern lassen kann.

Der Steuerzahlerbund sieht hier eine Schwäche des Vorpommern-Fonds: „Mittel werden ohne ausreichende fachliche Expertise vergeben und das Geld der Steuerzahler mit einer gewissen Beliebigkeit ausgegeben.”

Brücke über die Warnow

Auf der Internetseite des Schwarzbuches der Steuerzahlen werden noch weitere aktuelle Fälle aus Mecklenburg-Vorpommern vorgestellt. So etwa eine geplante Brücke in Rostock.

Denn im Zuge der Bundesgartenschau (BUGA) 2025, für die man sich erst vor Kurzem in Rostock entschieden hatte, soll eine kombinierte Fußgänger-Rad-Brücke mit Klappmechanismus über die Warnow gebaut werden. 36 Millionen Euro werden dafür veranschlagt, dass die Innenstadt mit der Gehlsdorfer Uferseite verbunden wird und Radfahrer etwa 10 bis 15 Minuten sparen.

Eine Einbindung in das Verkehrskonzept fehlt jedoch laut BdSt ebenso wie konkrete, mit Zahlen unterlegte Prognosen. Dafür fürchten Segler in der Dierkower Bucht um ihre Interessen. Die Brücke ist acht Meter hoch, für viele dann also nur noch zu den Öffnungszeiten befahrbar. Anliegende Vereine sehen Konsequenzen für die Finanzstruktur der örtlichen Anbieter, wenn größere Boote abwandern.

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Kinder- und Jugendliche könnten zudem wegen der Strömungsverhältnisse zwischen den Brückenpfeilern dort nicht mehr segeln, heißt es. Hauptkritikpunkt des BdSt ist aber, dass mögliche Alternativen, wie innovative und über den Öffentlichen Nahverkehr refinanzierbare Fährlösungen, nicht ausreichend geprüft wurden. Etwa 1000 Menschen, und somit nur 0,5 Prozent der Bevölkerung Rostocks, hätten bei der angeblich breiten Bürgerbeteiligung mitgemacht.

Gelder für die Darßbahn

Vor den Kosten des Projektes „Wiederinbetriebnahme der Darßbahn“ hatte der Bund der Steuerzahler schon mehrfach gewarnt. Während 2010 noch mit 38 Millionen Euro gerechnet wurden, schätzt die Staatskanzlei die Baukosten mittlerweile auf 115 Millionen Euro ein.

Der BdSt stellt angesichts der Verkehrslawine in den Sommermonaten nicht die prinzipielle Sinnhaftigkeit des Projektes in Frage. Allerdings seien „nie Alternativen zu der Wiederinbetriebnahme der alten, in Teilen demontierten Strecke geprüft” worden.

Erst 2025 sollen Planung und Bauvorbereitung für die Darßbahn abgeschlossen sein. Wie es bis dahin mit der Kostenschätzung aussieht, steht noch in den Sternen.

*In die gedruckte Variante hat es aber nur die umstrittene Filmförderung „geschafft”.