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Leserfrage

Hilft eine DDR-Impfung gegen das Corona-Virus?

Neubrandenburg / Lesedauer: 3 min

Der Trend ist stabil: In den neuen Ländern liegen die Corona-Zahlen deutlich unter denen in den alten Bundesländern. Lässt sich das mit einem Blick in die Vergangenheit erklären?
Veröffentlicht:27.04.2020, 06:07

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Während in den Landkreisen in Mecklenburg-Vorpommern, in Brandenburg oder auch Sachsen-Anhalt weniger als 100 Personen je 100 000 Einwohner an dem Virus erkrankt sind, liegt die Zahl in den alten Ländern verbreitet um das Zehnfache höher. Spitzenreiter ist der bayerische Landkreis Tirschenreuth mit mehr als 1500 Betroffenen. Erklärungsversuche dafür gab es schon mehrere, darunter die geringere Bevölkerungsdichte oder das jeweilige Krisenmanagement der Landesregierungen. Stellvertretend für mehrere Leser bringt Günter Reinhardt aus Lindenhagen in der Uckermark die Tuberkulose-Pflichtimpfungen in der DDR ins Spiel, die unter anderem auch dafür sorgen könnten, dass die Sterblichkeit im Osten geringer ist. Aus seiner Sicht wurde darüber bisher zu wenig nachgedacht. „Einmal mehr zeigt sich der Vorteil einer Impfpflicht, die heute von zu vielen Menschen abgelehnt wird“, meint Reinhardt.

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Professor Nils-Olaf Hübner, Leiter des Zentralbereichs Hygiene der Universitätsmedizin Greifswald, hat sich auf Bitte unserer Zeitung mit dieser Frage beschäftigt. Die „klassische“ Tuberkulose-Impfung (BCG) sei dafür bekannt, die Tuberkulose selbst vor allem abzumildern, aber auch gegen die Lepra eine gewisse Schutzwirkung zu erzielen. Zudem scheine die Impfung eine gewisse allgemein immun-stimulierende Wirkung zu haben. Wie andere Impfungen auch sei sie eine Übung für das Immunsystem in „Friedenszeiten“, erläutert Hübner. Das nähre die Hoffnung, dass damit auch gegen Covid-19 ein Schutz zu erzielen sei.

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„Ob das so ist, ist aktuell eine offene Frage. Daher wurden mehrere Studien begonnen“, erklärt der Virologe. Eine aktuelle Literaturübersicht der Weltgesundheitsorganisation liste dazu drei, noch nicht durch externe Gutachter bewertete Untersuchungen auf. Darin scheine sich zu zeigen, dass in Ländern, in denen routinemäßig eine BCG-Impfung im Kindesalter erfolgt, weniger Covid-19-Fälle zu verzeichnen waren. Hübner rät aber zu Vorsicht bei zu viel Euphorie: Viele dieser Länder seien sehr arm, und dort werde wenig getestet. Die Epidemie sei noch nicht gestoppt.

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Das gelte auch in Deutschland. „Die Epidemie ist noch in einer dynamischen Phase, vieles über den Erreger und die Immunreaktion des Körpers ist noch unklar“, meint der Experte. Niemand, der gegen Tuberkulose geimpft sei, sollte sich in falscher Sicherheit wiegen. „In jedem Fall gilt es, die Hygieneregeln zu beachten“, rät der Professor eindringlich.

Zuvor hatte Professor Dr. Emil Reisinger, Leiter der Abteilung für Tropenmedizin und Infektiologie der Uni-Medizin Rostock, die Abweichungen in Ost und West auch mit unterschiedlichem sozialen Verhalten erklärt. „Das bezieht sich vor allem auf das Begrüßen, das Umarmen oder das Busserl-Geben. Das ist im Norden nicht so ausgeprägt. Aber genau dadurch wird das Virus eben übertragen“, sagte er dem Nordkurier. Auch der Ski-Tourismus sei im Norden längst nicht so verbreitet wie in Bayern, wo viele Infizierte sich in den nahe gelegenen Risikogebieten in Österreich und Italien angesteckt hätten.