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„Nordkreuz”

Hilferuf von Reservistenverband wegen Rechtsextremisten

Schwerin / Lesedauer: 4 min

Mutmaßlich rechtsextreme Prepper bei Militär und Polizei haben die Politik aufgeschreckt. Bei einem Treffen mit dem MV-Innenausschuss hat der Landesvorsitzende des Reservistenverbandes fehlende Extremismus-Aufklärungsstrukturen in den eigenen Reihen kritisiert.
Veröffentlicht:20.08.2020, 16:45

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Dem Reservistenverband Mecklenburg-Vorpommerns gehören noch immer zwei von fünf ehemaligen Mitgliedern der mutmaßlich rechtsextremen Preppergruppe „Nordkreuz” an. Die beiden Männer hätten sich vor Gericht erfolgreich gegen ihren Ausschluss zur Wehr gesetzt, würden aber in die Vereinsarbeit nicht mehr einbezogen, sagte der Landesverbandsvorsitzende Peter Schur am Donnerstag in Schwerin.

Zuvor hatte der Oberstleutnant der Reserve im Innenausschuss des Landtags über die Bestrebungen berichtet, Ex-Bundeswehrangehörige mit rechtsextremistischer Gesinnung vom Verband fernzuhalten. Das Gespräch fand unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Der Landesverband früherer Bundeswehrangehöriger zählt laut Schur 1100 Mitglieder.

Keine Sicherheitsprüfung durch MAD wie bei Bundeswehr

Schur beklagte, dass der Reservistenverband – anders als die Bundeswehr selbst – nicht informiert werde, wenn Sicherheitsbehörden Erkenntnisse über extremistische Tendenzen bei bestimmten Personen vorlägen. Bei der Bundeswehr erfolgt die Sicherheitsprüfung durch den Militärischen Abschirmdienst (MAD). Deshalb sei es auch schwer zu reagieren. „Nicht immer ist es so einfach, die Gesinnung zu erkennen, wie 2018, als ein Fördermitglied bei Facebook ein Bild veröffentlichte, auf dem er mit Symbolen des Nationalsozialismus zu sehen war”, sagte Schur. Der Ausschluss sei sofort erfolgt.

Schur sagte ebenfalls, dass es „erschreckend” sei, „wie in Teilen unserer Landesgruppe ganz offen die Nähe zur AfD gesucht wird”, und berichtete, wie zum Beispiel der Bundestagsabgeordnete Enrico Komning (AfD) „mit viel Mühe und Durchsetzungsvermögen” Anfang des Jahres von einer Veranstaltung des Reservistenverbandes in Neubrandenburg ferngehalten wurde. Schur kritisierte außerdem, dass es „geradezu ein Hohn sei”, dass der ehemalige Verfassungsschutz-Präsident Heinz Fromm 2019 aus Berlin äußerte, dass es gerade im öffentlichen Dienst ein Leichtes sei, sich von von Extremisten zu trennen. „Die Praxis sieht anders aus.”

Die Linken-Abgeordnete Jeannine Rösler wertete die Ausführungen Schurs „als Hilferuf an die Landespolitik”. Dem Verband fehlten offenbar wirksame Mechanismen, dem Problem des Rechtsextremismus wirksam Herr zu werden. Daher sei es verwunderlich, dass der Landesverfassungsschutz offenbar keinen Anlass sehe, den Reservistenverband zu beraten und zu unterstützen.

Innenministerium weist Kritik entschieden zurück

Der AfD-Parlamentarier Horst Förster warf der Linksfraktion, die die Anhörung initiiert hatte, Alarmismus vor. Die Kriminalisierung von Polizei und Bundeswehr müsse beendet werden. «Wenn Personen in einem Reservistenverband extremistisch agieren und die Grundwerte der freiheitlichen Grundordnung mit Füßen treten, müssen diese rechtsstaatlich sattelfest ausgeschlossen werden», betonte Förster.

Das Innenministerium wehrt sich hingegen gegen die Vorwürfe des MV-Reservistenverbandes. "Der Landesverfassungsschutz hat sehr wohl den Reservistenverband des Landes zum Umgang mit rechtsextremistischen Bestrebungen beraten", stellte Innenminister Lorenz Caffier (CDU) klar. Durch die Einbindung des Landesverfassungsschutzes in unterschiedliche Präventionsgremien des Landes bestehe zudem die Möglichkeit einer ergänzenden Unterstützung. Zudem sei der Reservistenverband auch in die Arbeit der "Prepper"-Kommission einbezogen gewesen. Es hätten im Februar 2018 Gespräche mit dem Bundesgeschäftsführer und im April 2018 Gespräche mit dem damaligen Vorsitzenden der Landesgruppe MV gegeben.

Mehr lesen: Rechtsextreme in MV-Polizei angeblich nur beim SEK

Der Bundesverband der Reservisten will nach den Worten von Verbandspräsident Patrick Sensburg Extremisten in den eigenen Reihen möglichst rasch ausschließen. Die 115 000 Mitglieder sollten zwar nicht generalüberprüft werden, Verdachtsfälle müssten aber konsequent verfolgt werden, hatte er erklärt.

Verdacht oder Medienberichte reichen nicht für Ausschluss von Extremisten

Im Zuge strafrechtlicher Ermittlungen gegen die Preppergruppe «Nordkreuz» war bekannt geworden, dass führende Köpfe der Gruppierung dem Reservistenverband in Mecklenburg-Vorpommern angehörten. Gegen zwei dieser Männer ermittelt die Bundesanwaltschaft wegen des Verdachts der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat.

Ein Verdacht allein oder Berichterstattung der Medien reiche für den Ausschluss nicht, sagte Schur. Das dritte, wegen Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz verurteilte Mitglied Marko G. sei inzwischen aber aus dem Verband ausgeschlossen worden. Er gehörte dem Spezialeinsatzkommando (SEK) der Polizei an und soll ein illegales Munitionslager angelegt haben.

Anhänger der Prepperszene bereiten sich mit dem Horten von Vorräten auf einen Katastrophenfall, den „Tag X”, vor. Zum Teil legen sie auch illegale Waffenlager an und führen – wie im Fall „Nordkreuz” – Listen mit den Namen politischer Gegner.