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Schließungen gefordert

MV und Brandenburg verteidigen kleinere Kliniken

Schwerin / Lesedauer: 4 min

2019 legte die Bertelsmann-Stiftung eine Studie vor, in der die Schließung von rund 800 Krankenhäusern gefordert wurde. Und nun, in der Corona-Krise? Was wäre, wenn die Studie umgesetzt worden wäre?
Veröffentlicht:29.03.2020, 09:28

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Schutzausrüstung ist knapp, Ärzte und Pfleger sind knapp, Intensivbetten sind knapp, Beatmungsgeräte sind knapp – in Deutschlands Krankenhäusern grassiert die Angst, von der bevorstehenden Corona-Welle überrollt zu werden. Da wirkt es fast grotesk, dass im Juli vergangenen Jahres die Bertelsmann-Stiftung mit einer Studie vorschlug, rund 800 der 1400 Kliniken in Deutschland dicht zu machen.

Die verbleibenden Häuser könnten dann mehr Personal und eine bessere Ausstattung erhalten und damit die Patienten auch besser versorgen, so der Tenor der Studie. Wörtlich hieß es: „Nur Kliniken mit größeren Fachabteilungen und mehr Patienten haben genügend Erfahrung für eine sichere Behandlung“, so die Wissenschaftler des Berliner Instituts für Gesundheits- und Sozialforschung, die mit der Durchführung der Studie beauftragt worden waren.

„Krankenhäuser nicht nur auf Effizienz bürsten“

Viele Komplikationen und Todesfälle ließen sich laut Studie durch eine Bündelung von Ärzten und Pflegepersonal sowie Geräten in weniger Krankenhäusern vermeiden. Kleine Kliniken verfügten dagegen häufig nicht über die nötige Ausstattung und Erfahrung, um lebensbedrohliche Notfälle wie einen Herzinfarkt oder einen Schlaganfall angemessen behandeln zu können, argumentierten die Autoren.

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Nur in ausreichend großen Krankenhäusern könnten Facharztstellen rund um die Uhr besetzt werden, steht in der Studie. Auch Computertomografen und andere wichtige Geräte könnten dann in allen Kliniken bereitstehen. Vor allem die Qualität der Notfallversorgung und planbarer Operationen lasse sich so verbessern. Zudem könne der Mangel an Pflegekräften gemindert werden. Derzeit gebe es zu wenig medizinisches Personal, um die Klinikzahl aufrechtzuerhalten.

An- und Einsichten, die bei Gesundheitspolitikern im Nordosten auf wenig Gegenliebe stoßen – gerade auch vor dem Hintergrund der Corona-Krise. „Das mit der Bertelsmann-Studie verabreichte Rezept für eine Neustrukturierung der Krankenhausversorgung ist eine für unser Land unzuträgliche Mixtur. Bertelsmann postuliert, die Krankenhauslandschaft deutlich auszudünnen und zugleich die Zahl der Krankenhausbehandlungen erheblich zu reduzieren. Begründet wird dies mit Ansprüchen an die Versorgungsqualität, Fachkräftesicherung sowie ungenutzte Potenziale ambulanter Operationen“, sagt etwa Torsten Koplin, gesundheitspolitischer Sprecher der Linksfraktion im Landtag MV.

Eine Krankenhauslandschaft müsse laut Koplin immer der spezifischen Situation entsprechen, also der jeweiligen Bevölkerungszahl und deren altersmäßigen Zusammensetzung sowie gesundheitlicher Entwicklungen. Im Übrigen steige die Zahl der Fachkräfte nicht dadurch, dass man die vorhandenen räumlich zentralisiere. Für sie würde es allenfalls zu weiteren Arbeitsverdichtungen kommen. „Dies wiederum zeigt, dass es Bertelsmann eigentlich darum geht, die Krankenhäuser auf Effizienz zu bürsten. Welche Gefahren daraus entstehen, erleben wir jetzt, wenn wir feststellen, dass wir zu wenig Intensivbetten und Beatmungsstationen haben.“

Mecklenburg-Vorpommern habe in den vergangenen Jahrzehnten seine Hausaufgaben gemacht und strukturelle Veränderungen vollzogen. Gerade in der gegenwärtigen Situation einer Virus-Epidemie zeige sich, wie gut wir daran getan hätten, wohnortnahe Krankenhausstandorte zu gewährleisten, betonte der Linkspolitiker.

Lange Fahrt kann in der Not Lebensgefahr bedeuten

Ähnlich argumentiert Sebastian Ehlers, Gesundheitspolitiker der CDU-Fraktion im Schweriner Landtag. „Die Schließung von Krankenhäusern haben wir vor der Corona-Krise abgelehnt und bleiben auch jetzt dabei. Auch wenn die Maximalversorger die Hauptlast tragen werden, brauchen wir die kleineren Häuser zur Bewältigung der Lage. Sie spielen deshalb in den aktuellen Plänen des Landes eine wichtige Rolle.“

Auch Stefan Zierke, SPD-Bundestagsabgeordneter aus der Uckermark, hält eine Debatte über die tatsächliche Anzahl von Krankenhäusern in Deutschland für „nicht zielführend. Viel wichtiger ist, dass die Menschen faktisch gut versorgt sind und werden. Und das eine medizinische Versorgung in der unmittelbaren Nähe gewährleistet ist. Dafür sehe ich uns in der Uckermark gut aufgestellt.“ Heißt konkret: „Alle Krankenhausstandorte müssen erhalten bleiben.“

Dr. Gunter Jess, Gesundheitsexperte der AfD-Fraktion im Landtag MV, betrachtet den Vorschlag der Bertelsmann-Studie, weniger und dafür größere Krankenhäuser vorzuhalten, „wenn überhaupt nur in Ballungszentren als sinnvoll. In der Fläche ist das eher kontraproduktiv und kann wegen der weiten Entfernungen im Notfall sogar lebensbedrohlich sein.“ Auch die Menschen im ländlichen Raum hätten ein Anrecht auf schnell verfügbare stationäre medizinische Grundversorgung. Deswegen habe man sich in MV auch immer für die Kliniken in Wolgast und Parchim eingesetzt.

Gerade auch in der derzeitigen Krise wäre es absurd, so Jess weiter, potenziell ansteckend Erkrankte lange Strecken zum nächsten Krankenhaus zurücklegen zu lassen. Nicht jeder verfüge über ein eigenes Fahrzeug und viele müssten den Weg mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren.