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Bunter Protest am 8. Mai

Mit Gedichten gegen Nazi-Hass in Demmin

Demmin / Lesedauer: 4 min

Viel Polizei, Konfetti-Regen, Gedichte und auch Feuerwerk: Mit großer Beteiligung setzten in Demmin Menschen ein Zeichen gegen die rechtsextreme NPD, die am 8. Mai wieder ihren „Trauerzug“ hielt.
Veröffentlicht:09.05.2018, 11:42

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„Seid nicht stolz auf Orden und Geklunker! Seid nicht stolz auf Narben und die Zeit!” Diese Zeilen aus einem bekannten Antikriegsgedicht von Kurt Tucholsky erklangen am Dienstag Stand der Grünen, als der sogenannte Trauermarsch der NPD in Sichtweite des Luisentors ankam.

+++ Live-Ticker aus Demmin zum Nachlesen. +++

Für die Aktion sind etwa 25 Parteimitglieder aus Städten wie Neustrelitz, Schwerin, Torgelow und Greifswald in die Hansestadt gekommen. Die Idee zu der sogenannte Stafetten-Lesung, mit der die Grünen auch für Demokratie werben, stammt von Sonja Suntrup. „Wir wollen den Frieden feiern und den Rechten unsere Texte entgegenschleudern!“ Dies sei wichtig, weil die Teilnehmer des Nazi-Aufmarsches das Kriegsende umdeuten wollten, erklärte die Deutschlehrerin, die auch den Großteil der Texte ausgewählt hatte.

Fehlende Kennzeichnung der Polizei kritisiert

Vorgelesen werden kurze Texte und Gedichte von Autoren wie Bertha von Suttner, Konstantin Wecker oder Astrid Lindgren, die allesamt um das Thema Frieden kreisen. „Wir wollten nicht nur eine klassische Mahnwache mit Transparenten abhalten“, erklärt Veranstaltungsleiter Falk Jagszent. „Und eine Verbindung mit Literatur fanden wir eine kreative Idee.“

Am Tag nach den Demonstrationen lobte die Landesvorsitzende der Grünen, Claudia Schulz, zwar ausdrücklich das besonnene Vorgehen der Polizei. Allerdings habe diese sich nicht durchgängig an die Kennzeichnungspflicht gehalten.

Sie forderte daher den Innenminister auf, nochmal deutlich zu machen, dass die Kennzeichnungspflicht eine obligatorische Maßnahme ist, um eine friedliche und vielfältige Demonstrationskultur beizubehalten. Dies sei gerade für die Einsatzkräfte wichtig, denn Transparenz und Nachvollziehbarkeit seien der beste Schutz für die Polizistinnen und Polizisten.

„Trauer am Arsch. Tag der Befreiung feiern.”

Auch beim Stadtspaziergang, dem sich laut Polizeiangaben etwa 900 Teilnehmer des Friedensfestes angeschlossen hatten, wurde gegen die NPD protestiert. Auf einem der größten Banner, die dabei mitgeführt wurden, stand: „Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen“. Auf einem anderen war zu lesen: „Trauer am Arsch. Tag der Befreiung feiern.”

Bewegende Rede von Lilo Schlösser

An mehreren Stellen der Route, die vom Hafen zum Marienhain über die Treptower auf die Clara-Zetkin-Straße und zurück zum Hafen führte, stoppte der Stadtspaziergang für Redebeiträge. Der bewegendste kam dabei von Lilo Schlösser. Als die Demminer Künstlerin am Marienhain zum Mikrofon des Lautsprecherwagens griff, ertönten von weiter her noch lautstark „Alerta antifascista“-Rufe. Dann folgte einer der stillsten Momente des Spaziergangs. „Ich stehe hier für meinen verstorbenen Mann Karl Schlösser“, sagte sie.

Der habe das Inferno des brennenden Demmins selbst erlebt. Lilo Schlösser fragte, welches Recht die Neonazis hätten für ihren Trauermarsch, waren es doch die Führungskräfte der Nationalsozialisten, die die Brücken sprengten und die Demminer ihrem Schicksal überließen. Dann verlas sie eine Rede ihres Mannes. An anderer Stelle gedachte Herma Ebinger vom „Aktionsbündnis 8. Mai“ Demminer Juden, die in Konzentrationslagern zu Tode kamen.

Bunte Masse gegen den Aufmarsch

Gegen 19.30 Uhr setzte sich am Stadion der Zug der NPD in Bewegung mit nach Schätzung der Polizei etwa 180 Teilnehmern. Eskortiert von Polizeiketten zogen sie Richtung Hafen, ohne Fackeln, die boten sie laut einem Sprecher in diesem Jahr nicht an, und auch ohne als Flüchtlinge verkleidete Teilnehmer.

Immer wieder wurde der Zug empfangen von Gegendemonstranten mit lautstarken Rufen, Seifenblasen, Konfetti-Regen und Feuerwerk. Schon am Beginn der Zetkinstraße musste der Zug eine Sitzblockade umgehen, am Geselliusplatz, am Luisentor, am Markt, in der Heilgeiststraße übertönten Gegendemonstranten lautstark die Trauermusik der NPD.

Zu Zusammenstößen kam es dabei, soweit bisher bekannt, nicht. Die Polizei hatte zuvor Absperrungen aufgebaut und trennte damit beide Seiten. Insgesamt verliefen die verschiedenen Veranstaltungen nach ersten Informationen friedlich. Größere Probleme habe es nicht gegeben, sagte eine Polizeisprecherin.

Weitere Informationen zum 8. Mai 2018 in Demmin: