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Tierische Begegnung

Mini-Spatz schimpft Dackel aus

Neu Kosenow / Lesedauer: 5 min

Wenn der kleine Spatz wüsste, dass dieser so harmlos aussehende Dackel auch schon Meerschweinchen und Kaninchen zur Strecke brachte, wäre er vielleicht etwas zurückhaltender. Wobei, vielleicht rettete ihm gerade sein großes Mundwerk das Leben...
Veröffentlicht:20.07.2020, 18:22
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Es begann mit einem jämmerlichen Zwitschern in hoher, alarmierender Tonlage im alten Dorfkonsum von Kagendorf, und man musste kein Landwirtschaftsminister sein, damit einem sofort klar war: Hier läuft etwas gerade gewaltig schief, hier muss sofort gehandelt werden! Beherzt stellte der Nordkurier-Mann also umgehend seine rituelle Waschung ein und machte sich so wie er war auf die Suche nach dem Urheber der fordernden Laute.

Und so trafen denn in einem Vorpommerschen Wintergarten ein 52-jähriger Mensch, ein noch nicht ganz flügges Spatzen-Junges und ein mittelalter Dackel, alle drei nackt, alle mit der Situation überfordert, aufeinander.

Erstmaßnahmen am Unfallort: Den Minispatz erstmal raus aus dem Haus schaffen, damit seine Mami ihn finden und ihn füttern und das Fliegen beibringen kann oder was Spatzenmütter oder vielleicht auch die treulosen Spatzenväter sonst so tun. Spatz also auf die Wiese gesetzt, Dackel im Haus eingesperrt und dafür gesorgt, dass wenigstens einer von den drei Beteiligten sich etwas Vernünftiges anzieht.

So. Weiter geht's!

Dann neuerliche Vogellaute aus dem Wintergarten. Das gibt's doch nicht, ist da etwa ein ganzes Nest? Das hätte man doch irgendwann mal mitbekommen, und da war dann auch kein Nest, sondern eine ausgewachsene Spatzenfrau, mutmaßlich die Mami, von den Lauten ebenso angelockt wie zuvor Mensch und Dackel.

Im Gegensatz zum Nachwuchs konnte dieses Tier allerdings recht flink umherfliegen, aber kein Problem, dafür hat der Herr des Hauses als Hühnerhalter selbstredend einen Kescher griffbereit. Und zwar mit extra kleinen Maschen, über die sich der Nachbar noch gewundert hatte.

Jedenfalls, wie das so ist mit Sachen, die man kauft, weil man sie vielleicht irgendwann mal dringend braucht: Wenn dann endlich die Stunde gekommen ist, in der das Gerät seinen ersten bestimmungsgemäßen Einsatz erleben soll, erfüllt das den Besitzer mit großer Freude. Bisher war der Kescher nämlich nur als Kinderfänger zweckentfremdet worden, das ist ja auch kein Leben für so einen Kescher.

Jetzt aber! Heißa, Safari.

Den Kescher also schnell aus der Garage geholt, selbstredend die Terrassentür nicht zugemacht, mit dem Kescher zurück ins Haus, selbstredend nicht an einen womöglich entwichenen Dackel gedacht und auch jetzt wieder die Terrassentür nicht zugemacht.

So fordert man das Schicksal natürlich heraus. So verschafft man einem Dackel, der sich mit Wonne auch schon auf Meerschweinchen stürzte und ein Kaninchen der Nachbarsmädchen per Genickbiss in ein hoffentlich besseres Universum beförderte, in dem man nicht durch einen heimtückischen Dackelbiss stirbt, so also verschafft man einem Dackel die Gelegenheit, die weniger schmeichelhaften Seiten seines Charakters zu zeigen.

Doch gemach...

Denn diese Gedanken kamen erst viel später, der Augenblick war beherrscht von der Jagd nach der Spatzenmama. Vögel gehören einfach nicht ins Haus. Punkt. Und raus.

Der Keschereinsatz erfolgte dann präzise und professionell, niemand, der den Schreiber kennt, hätte damit rechnen können, aber es war wirklich so: Kein Mobiliar zerdeppert, nichts umgestoßen, einmal den Kescher geschwungen und – Zack – war der Vogel gefangen.

Den Vogel also an die frische Luft verbracht, der flog sofort weg, Zeit also, nach dem Baby zu schauen. Das allerdings hatte Otto – so heißt der furchteinflößende Dackel – da offenbar schon länger getan.

Der kleine Spatz schimpft den Dackel Otto mächtig aus.
Der kleine Spatz schimpft den Dackel Otto mächtig aus. (Foto: Jürgen Mladek)

Was der Spatz wohl zum Dackel gesagt hat?

Der Dackel kauerte also vor dem Vogel und musterte ihn. Dann stupste er ihn mit der Nase an. Und dann begann der kleine Spatz so etwas von loszuschimpfen, dass es nur so seine Art hatte. Du bist nicht meine Mama, zeterte der Spatz, zumindest klang es so, und dann setzte es eine Flut von womöglich auch rassistischen Beleidigungen, die nicht zu verstehen wahrscheinlich eine Gnade ist. Ich meinte etwas zu hören wie „verdammte unbefiederte Fellnase”, aber wie gesagt, nichts genaues weiß man nicht.

Jedenfalls, als Mensch, der auf Deeskalation und die friedliche Beilegung möglicher Konflikte trainiert ist, setzt man dann so einen kleinen Vogel aufs Hochbeet, sperrt den Dackel ins Haus und tut dann das, was man immer in solchen Situationen tun sollte: Erst einmal durchatmen und sich ein schönes Rührei machen. Doch, doch, das ist wirklich in dieser Situation das Beste, schauen Sie sich mal dieses Rührei genauer an. Ein Traum an Speck und Pilzen, das gibt's bei mir fast jeden Tag. Lesen irgendwelche hungrigen Damen vielleicht mit? Vergessen Sie's!

Ein Rührei hilft in allen Lebenslagen.
Ein Rührei hilft in allen Lebenslagen. (Foto: Jürgen Mladek)

Jedenfalls, am Abend war das Vögelchen dann weg, keine Ahnung, ob es die Mama geholt hat oder eine der vielen Katzen, der Dackel war es jedenfalls nicht. Wobei: Kurz danach gab es dann wieder eine Begegnung zwischen Dackel, Federvieh und dem treuen Futterbesorger, es ist ausweislich des Fotos eine Idylle, aber ob es sich auch so anhört, das ist eine andere Geschichte.

Federvieh, Dackel und Dackelbesitzer: Sieht nach Dorfidylle aus, klingt aber womöglich eher schräg.
Federvieh, Dackel und Dackelbesitzer: Sieht nach Dorfidylle aus, klingt aber womöglich eher schräg. (Foto: Jürgen Mladek)

Vom Autoren dieses Beitrags (und Nordkurier-Reporter Frank Wilhelm) gibt es auch ein unterhaltsames Buch über Kinder, Dackel und mehr. Erhältlich sind die "Papa-Kolumnen: Freud und Leid des Vater-Seins" auf mecklenbook.de.