StartseiteRegionalBrandenburgWer braucht schon eine alte FDJ-Hochschule?

Anwesen soll verkauft werden

Wer braucht schon eine alte FDJ-Hochschule?

Berlin / Lesedauer: 4 min

Der Hauch von Geschichte umweht die großen Gebäude auf einem abgelegenen Gelände nördlich von Berlin. Ein Käufer für die ehemalige Anlage des DDR-Jugendverbandes und die einstige Goebbels-Villa findet sich aber trotz aller Bemühungen partout nicht.
Veröffentlicht:01.10.2014, 12:54
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Einst tanzte hier UFA-Star Zarah Leander. NS-Propagandaminister Joseph Goebbels traf sich mit der tschechischen Schauspielerin Lida Baarova zu verschwiegenen Liebesstunden. 100 Meter weiter lauschte zwei Jahrzehnte später der junge Egon Krenz den Vorträgen von FDJ-Chef Erich Honecker. Nebenan ließen es im Kultursaal junge Kommunisten bei ausgelassenen Feten krachen. Mehr Geschichte mit solchen Gegensätzen gibt es selten an einem Ort. Berlin will das Areal am Bogensee verkaufen – doch wird es nicht los.

Das Gebäudeensemble aus verschiedenen Bauepochen ist der Ladenhüter des Liegenschaftsfonds. Nun hat Berlin den dritten Versuch unternommen, die Geschichtsruine im Dornröschenschlaf zu verkaufen. Seit 15 Jahren steht sie leer. Bis Ende März lief das weltweite Bieterverfahren für das 16,8 Hektar große und waldreiche Gelände am Rande eines idyllischen Naturschutzgebietes, nur 15 Kilometer vom nördlichen Stadtrand Berlins entfernt.

Diesmal mehr Interessenten als vor einigen Jahren

„Es gab mehr Interessenten, das Ergebnis ist erfreulich“, zieht Marlies Masche, die Sprecherin des Liegenschaftsfonds, Bilanz. Wie viele Bieter Gebote abgaben, aus welchen Teilen der Erde, werde aber aus Wettbewerbsgründen nicht vor Abschluss verraten, sagt sie. Auf jeden Fall ist das Interesse wesentlich größer als 2006 und 2008, als die Ausschreibungen mangels Nachfrage eingestellt werden mussten.

Man lasse sich Zeit, die Gebote und Konzepte zu prüfen, sagt die Sprecherin. „Eine Deadline für die Entscheidung gibt es nicht.“ Zudem seien daran der brandenburgische Landkreis Barnim und die Gemeinde Wandlitz beteiligt, in deren Grenzen das Areal am Bogensee liegt. „Wir sind uns einig, entscheidend ist nicht der Höchstpreis, sondern das Nutzungskonzept“, erläutert Masche. Denn die Beteiligten möchten vermeiden, dass die einstige Goebbels-Villa mitten auf dem Gelände zu einer neuen Wallfahrtsstätte für Neonazis wird. Deshalb hatte der Senat noch 2008 beschlossen, das schlichte und zugleich imposante Landhaus von Goebbels aus dem Verkauf auszukoppeln. Der „Waldhof“ genannte Landsitz des berüchtigten Nazi-Propagandaministers sollte in öffentlicher Hand bleiben, um Rechtsextreme fernzuhalten. Nun orientierte man sich um.

Alte Goebbels-Villa wird nun doch mitverkauft

„Wir wollen eine Gesamtnutzung des Areals. Außerdem lässt sich die Goebbels-Villa schlecht vom Rest trennen“, erläutert Masche. Im Exposé des Liegenschaftsfonds werden denkbare Nutzungen vorgegeben: Ein internationales Internat oder eine Privatuni, ein Hotelressort, eine Klinik oder Reha-Einrichtung, ein repräsentativer Unternehmenssitz oder eine Jugend-, Senioren- oder Freizeitanlage.

Die Geschichte des abgelegenen Areals ganz in der Nähe der einstigen DDR-Bonzen-Siedlung Wandlitz ist bewegt. In den 1920er Jahren verkaufte ein verarmter adliger Gutsbesitzer das Gelände der Stadt Berlin. 1936 schenkte die Stadt ihrem Gauleiter Joseph Goebbels den Bogensee mit umliegendem Gelände. 1939 ließ Goebbels „ein komfortables Landhaus mit 30 Privaträumen, 40 Dienstzimmern, Garagen und einem Filmsaal für 2,3 Millionen Reichsmark errichten, gesponsert von der UFA“, berichtete 2014 der MDR. Der Frauenverehrer empfing dort gern UFA-Schauspielerinnen – fern der Familienvilla auf der Berliner Wannsee-Insel Schwanenwerder.

Sowjets übergaben das Gelände 1946 an die FDJ

Nach dem Untergang des Dritten Reiches nutzten die Alliierten das Gelände als Lazarett. Die Sowjets übergaben das Gelände schließlich 1946 der Freien Deutschen Jugend (FDJ). Der „Waldhof“ wurde „die Keimzelle für die Jugendhochschule der FDJ“. Sie wurde nach dem ersten Präsidenten der DDR, Wilhelm Pieck, benannt. Der Architekt des Ost-Berliner Prachtboulevards Stalinallee, Hermann Henselmann, baute in den 1950er Jahren das monumentale Ensemble im Zuckerbäckerstil samt pompösen Konferenz- und Kultursälen und Wohngebäuden für rund 500 Studenten des
Marxismus-Leninismus.

Nach der Wende wurde die Hochschule aufgelöst. Von 1991 bis 1999 zog der „Internationale Bund für Sozialarbeit“ in die Gebäude. Seitdem stehen sie leer und verfallen. Heute blättert die Farbe von den Stuckdecken und das Gelände verwildert.