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Cannabis-Anbau

In Vorpommern, wo das Gras wächst

Vorpommern / Lesedauer: 4 min

Warum kauft sich ein Akademiker aus, sagen wir mal Berlin oder Hamburg, ein Haus mit großem Garten in Vorpommern? Klar, weil er dort ein paar Cannabis-Pflänzchen anbauen kann. Eine böse Unterstellung, doch: Es steckt schon ein Funken Wahrheit drin.
Veröffentlicht:24.07.2014, 19:50

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Kaum ein Monat vergeht, in dem die Polizei in unserer Region nicht eine mittlere Haschisch-Plantage jätet. Und das sind nur die, die sie auch findet. Gezielt auf die Suche macht sich niemand, da wächst also hinter ordentlichen Hecken und schönen Zäunen wohl noch allerhand. Bei diesen Gärtnern dürfte jetzt die Sonne aufgegangen sein, als sie von dem sensationellen Urteil aus Köln hörten: Drei Menschen wurde dort ausdrücklich vom Gericht erlaubt, Cannabis-Pflanzen zu ziehen, zu ernten und wegzurauchen. Zwar nur für medizinische Zwecke, aber so begann es in den USA auch. Millionen Menschen leiden dort zumindest auf ihrem Attest an Angstzuständen, Appetitlosigkeit und rätselhaften Schmerzen, gegen die nur Cannabis hilft. Und dass sich auch in Deutschland manche Ärzte mit Krankschreibungen nicht sonderlich schwer tun, davon kann jeder Arbeitgeber ein Lied singen.

Die Hälfte der Jugendlichen hat Erfahrungen mit Cannabis

Schon jetzt haben auch bei uns in Vorpommern mindestens 50 Prozent der jungen Leute Erfahrungen mit Cannabis gemacht, die wenigsten von ihnen allerdings dürften auch als Gärtner aktiv werden. Es fehlt am Platz und an der Muße, denn Cannabis ist als Pflanze extrem anspruchsvoll.

Und außerdem würden die Eltern und Großeltern Rabatz machen. Denn bei den Alteingesessenen, das belegen Umfragen, ist die Akzeptanz für Drogen so niedrig wie fast nirgendwo sonst in Deutschland. Hippies aus der Stadt, die machen sowas. Denkt man in Vorpommern, und viele glauben tatsächlich, dass es so etwas bei ihnen nicht gibt, nicht geben darf. Aber die Hippies, die sind auch hier.

Man kiffte gegen das Establishment

Besonders Akademiker aus den alten Bundesländern, auch das belegen Umfragen, scheinen sehr offen für den Eigenanbau von Cannabis zu sein. Kein Wunder, schließlich glimmten während des Studiums in West-Berlin und in München die Joints auf den Studenten-Partys, im WG-Backofen garten die Haschisch-Kekse.

Wer heute 66 Jahre alt ist, der war 1968 rebellische 20 Jahre alt. Man kiffte gegen das Establishment, wer nicht mitmachte, war verdächtig. Und viele machten dann einfach weiter damit, als sie nach dem Studium Juristen oder Pädagogen oder was auch immer waren. Vielleicht nur am Wochenende und später nur dann, wenn die eigenen Kinder es nicht sahen. In der Taz, der alternativen Tageszeitung aus Berlin, gab es wochenlange Debatten darum, ob man seinen Kindern oder Enkeln erzählen darf, dass man gekifft hat oder es immer noch tut. Die meisten waren für Offenheit. Und jetzt sind sie Rentner.

Zurück zur Natur, auch das so ein Schlachtruf von früher, den sich manche erst als Rentner erfüllt haben. So ein Haus in Vorpommern, möglichst ein wenig verfallen, da ist dann noch einmal die ganze anarchische Energie wieder wach. Und dazu dann das eigene Gras.

Nur Quatsch und Vorurteile!

Es gibt einige Dörfer bei uns, in denen sich in den 1990er-Jahren eine ganze Reihe von Künstlern und Akademikern aus den alten Bundesländern niedergelassen haben. Und sofort gab es Gerüchte, dass dort Cannabis angebaut wird. Wir fragten in einem der Dörfer ganz bescheiden nach, wie das heute so ist. Und erfuhren: Nur Quatsch und Vorurteile! „Die Leute sehen mit ihren langen Haaren zwar aus wie Kiffer. Aber wir leben ökologisch bewusst und Kiffen geht damit nicht einher“, sagte uns eine nette Frau. Ein anderer Bewohner allerdings äußerte, dass er nach dem Urteil bald auch gerne seine eigenen Pflanzen ernten würde

Schon jetzt konsumiert er in geringen Mengen Cannabis. Er weiß, dass der Besitz von Cannabis strafbar ist. Deshalb will er seinen richtigen Namen und seinen Wohnort nicht nennen. Nur eines sagt er noch: Er leidet auch an einer schweren Krankheit und da hilft das Cannabis angeblich ganz vorzüglich. Und die eigene Ernte sei mit Sicherheit auch gesünder als das Zeug aus den Gewächshäusern. Da stecke viel zu viel Wirkstoff drin, glaubt er.

Auch für Mandy Schmidt, die wir in Pulow trafen, wären ein paar Cannabis-Pflanzen für den Eigenbedarf eine schöne Vorstellung. Die Hobby-Kräuterheilerin würde davon Haschisch-Gebäck backen und damit bei Bedarf ihre Kunden behandeln.